Brunnenstraße, Andrea Sawatzki

Das Buch hat mich ziemlich umgehauen. Ich sehe die bekannte Schauspielerin jetzt in einem anderen Licht. Als Neunjährige zieht Sawatzki mit ihrer Mutter zu ihrem bis dahin anderweitig gebundenen Vater. Mutter und Tochter freuen sich auf goldene Zeiten – die Tochter, weil sie dann endlich einen Vater hat – die Mutter, weil sie nicht mehr arbeiten muss. Sie geht davon aus, dass an der Seite des bekannten Journalisten ein Leben in Wohlstand, geordneten Verhältnissen und den Kreisen des Bildungsbürgertums auf sie wartet. Doch die Hoffnung wird bitter enttäuscht, denn der einst so erfolgreiche Mann ist zu diesem Zeitpunkt schon krank, er ist nicht mehr arbeitsfähig. 

Das Geld wird schnell knapper und die Mutter muss sich wieder einen Job suchen. So fällt der neunjährigen Andrea die Pflege des Vaters zu, der zunehmend dement, unberechenbar, jähzornig ist, immer wieder abhauen will, eigentlich kaum zu bändigen ist. Das liest sich erschütternd. Aber immer wieder blitzt auch Sawatzkis Kreativität und Unangepasstheit durch, so zum Beispiel im Umgang mit Tieren (der nicht immer gut für die Tiere ausgeht ;-). 

Sawatzki hat in einem Interview gesagt, ihre Kindheit sei in gewissem Sinne normal und auch nicht so fürchterlich gewesen, wie es vielleicht bei manchen Menschen ankommt. Ihr wäre es darum gegangen, ihre Mutter zu unterstützen und zu entlasten. Die beiden waren ein eingespieltes Team, bis der Vater sie zu sich holte. Aber diesen Bruch in ihrem Leben auszuhalten und über Jahre mit dem schwerkranken Mann, ihrem Vater, zu leben, dazu gehört schon einiges. 

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