Als Großmutter im Regen tanzte, Trude Teige

Das dritte Licht, Claire Keegan

Vielleicht solltest du mal mit jemandem darüber reden, Lori Gottlieb

Paradise Garden, Elena Fischer

Was ich noch weiß, Diane Broeckhoven

Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke, Joachim Meyerhoff

Die Schwimmerin, Gina Mayer

Gute Unterhaltung, manchmal spannend wie ein Krimi, aber zugleich auch gehaltvoll, gut recherchiert und geschickt konstruiert. Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen: 1942 – 1945 in Weilerbach und 1962 in Essen. Im Krieg landet die 13-jährige Elisabeth mit ihrer Mutter auf der Flucht aus Düsseldorf in einer Notunterkunft in dem kleinen Ort Weilerbach. 1962 heiratet Elisabeth, die sich inzwischen Betty nennt, ihren Verlobten Martin und bezieht mit ihm eine schöne Wohnung in Essen. Ihr Leben scheint nun endlich in geordneten Bahnen zu verlaufen, und Betty möchte das Glück um jeden Preis festhalten. Die Jahre dazwischen, die ihr nicht nur ihre Familie und ihre erste Liebe genommen haben, möchte sie vergessen, auslöschen für immer. Ihre regelmäßigen Stunden im Schwimmbad sind ihr Halt und Trost.

Doch dann erscheint ein junges Mädchen auf der Bildfläche, das Betty erst verfolgt und dann erpresst; das Mädchen scheint etwas über ihre Vergangenheit zu wissen. Betty kann sich der Auseinandersetzung mit ihrem früheren Leben nicht länger entziehen. Durch den Zeitenwechsel entstehen immer wieder Cliffhanger, das macht es spannend. So entblättert sich Elisabeths Geschichte nur sehr langsam. Man ahnt zwar bald, um was es geht, wartet aber doch gebannt, ob und wann etwas passiert. Die verschiedenen Stationen ihres Lebens sind sehr eindringlich und einfühlsam beschrieben. Sie ist die Hauptperson, aber die Autorin flicht auch immer wieder Informationen über die Nebenfiguren ein, zumindest für uns Leser. Und das mit einer ganz bestimmten Technik: „Sie (Betty) würde nie erfahren, dass er sich bis zum Schluss daran festgehalten hatte …“ „Und sie wusste nicht, dass Gabriele in genau derselben Haltung eine Etage unter ihr saß und ebenfalls weinte.“ Auch dieser Informationsvorsprung sorgt für Spannung.

Mayer setzt sehr gekonnt die Dialekte ein – Schwäbisch und Niederrheinisch. Das macht die Lektüre zum einen lebendig, zum anderen unterstreicht es die Zweiteilung von Bettys (alias Elisabeth) Leben. Ich habe das Buch gerne gelesen und werde mir die Autorin merken. Sie hat übrigens viele Romane für Kinder geschrieben.

Ende in Sicht, Ronja von Rönne

Der Trost der Schönheit, Gabriele von Arnim

Das denkende Herz, Etty Hillesum

Was für ein Buch! Schwere Kost, die mich nachhaltig beeindruckt hat. 

Zu Beginn habe ich das Buch, das den Untertitel Die Tagebücher von Etty Hillesum 1941 – 1943 trägt, gar nicht so gerne gelesen; es ist eine andauernde Selbstbespiegelung der Autorin, wirre Reflexionen über ihre Beziehung zu ihrem Mentor und Geliebten, es sind die Ergüsse einer 27-jährigen, die auf der Suche nach sich selbst ist. Aber schnell wird klar, dass die Autorin eine außergewöhnliche Frau ist, die in geradezu unglaublicher Weise ihr Schicksal annimmt und zunehmend große Kraft aus ihrem Glauben an Gott zieht.

Etty Hillesum ist Jüdin, sie lebt 1942 in Amsterdam, als sie mit ihren Aufzeichnungen beginnt. Unerbittlich zieht sich die Schlinge für sie und ihre jüdischen Mitbürger zu. Immer mehr werden sie in ihrer Freiheit beschnitten, gezwungen, auch die weitesten Strecken zu Fuß zu gehen, weil sie die Straßenbahn nicht mehr benutzen dürfen – nur ein kleines Beispiel für immer weiter fortschreitende Drangsalierungsmaßnahmen. Etty weiß, dass sie demnächst den Aufruf erhalten wird, sich in das Durchgangslager Westerbork zu begeben, und sie weiß auch, was mit den abtransportierten Menschen geschieht. So schreibt sie: 

Jeder möchte sich selbst retten, obwohl er wissen sollte, dass, wenn er nicht geht, ein anderer an seiner Stelle gehen muss. (…) Es ist nun zu einem „Massenschicksal“ geworden, darüber muss man sich im klaren sein. Man ist auf unsere völlige Vernichtung aus, damit muss man sich in seinem Leben abfinden und dann geht es wieder weiter (…). Ich arbeite und lebe mit der gleichen Überzeugtheit weiter und finde das Leben sinnreich, trotzdem sinnreich. Etty weiß, dass sie sehr wahrscheinlich nicht überleben wird, aber doch äußert sie immer wieder den Wunsch, zu schreiben und Zeugnis abzulegen, auch später, wenn alles vorbei ist. Je schwieriger die Lage wird, desto klarer wird Etty in ihren Gedanken. Zitate geben das am besten wieder:

Das Leiden tastet die Würde des Menschen nicht an. Ich meine damit: Man kann menschenwürdig und menschenunwürdig leidenEs macht viel aus, wie man es erträgt und ob man es in sein Leben einzuordnen vermag und das Leben dennoch bejaht

Dadurch, dass man seine eigenen Kräfte und Unzulänglichkeiten kennenlernt und sie als gegeben hinnimmt, verstärkt man seine Kraft. Es ist alles so einfach, für mich wird es immer verständlicher, und ich möchte lange leben, um es auch anderen verständlich zu machen.

Wenn ich bete, bete ich nie für mich selbst

Alles was man an Liebe, Gottvertrauen und Kräften besitzt, die in letzter Zeit so erstaunlich in mir herangewachsen sind, muss man für jeden bereithalten, der uns zufällig über den Weg läuft und der uns braucht

Ein kleines Stück Himmel wird wohl immer zu sehen sein, und so viel Platz wird immer um mich sein, dass meine Hände sich zum Gebet falten können

Staunend, oft fassungslos, und immer voller Bewunderung liest man diese Äußerungen. Unglaublich die Kraft, die aus ihnen spricht. Ein ergreifendes und berührendes Zeitzeugnis. Eine Anregung, das eigene Leben und Denken zu reflektieren. Vielen Dank an Klaudia für den Tipp – ich habe das Buch auch schon weiterverschenkt.