„Wir sind doch Schwestern“, von Anne Gesthuysen

Die Autorin Anne Gesthuysen ist nicht nur ARD-Morgenmagazin-Moderatorin, sondern auch Ehefrau von Frank Plasberg und somit „Promi.“ Sie hat ihren ersten Roman geschrieben; er ist fiktiv, beruht aber auf den Erinnerungen, Erzählungen und Anekdoten ihrer drei Großtanten.

Es geht um Schwesternliebe und um ein Leben auf dem Land, am Niederrhein im vorigen Jahrhundert. (Ich hatte Freude an ein paar plattdeutschen Kraftausdrücken, z.B. „du bis enne Prootsack“, sinngemäß etwa: „du bist gemein“. Aber man muss nicht vom Niederrhein stammen, um das Buch zu verstehen!)

Die Geschichten der drei Schwestern sind natürlich miteinander verwoben, die der ältesten und der jüngsten auf besondere Art und Weise. Die Handlung setzt mit den Vorbereitungen für Gertruds hundertsten Geburtstag ein. Katty, die jüngste mit ihren vierundachtzig, plant und organisiert das Fest in gewohnt professioneller Art und Weise, eine ihrer größten Stärken, von der einst auch die Liebe ihres Lebens profitierte. Unerreichbar war er für sie, der bedeutende CDU-Politiker und Landtagsabgeordnete. Aber eigentlich ist das nur die halbe Wahrheit!

Immer wieder lässt Gesthuysen ihre Protagonistinnen zurückschauen und sich erinnern. Jedes der drei Frauenleben ist auf seine Art bunt und bewegt, auf jeden Fall nicht stromlinienförmig. Die Lebenslust, die alle drei im hohen Alter immer noch ungebrochen ausstrahlen, hat etwas Ansteckendes. Die Geschichte plätschert über weite Teile dahin, wirklich Fahrt nimmt sie erst gegen Ende auf. Aber sie ist nett zu lesen. Wenn vom Elf-Ührken die Rede ist, (ein Schnäpschen, das man sich zwischendurch mal genehmigt, um besser durch den Tag zu kommen), oder von einem in Flagranti ertappten Paar („die Hosen an Knöcheln und Kniekehlen allerdings verhinderten einen koordinierten Abgang“), so muss man bei aller durchaus vorhandenen Tragik immer wieder schmunzeln.

Zwei Weltkriege, die moralingesäuerten fünfziger und sechziger Jahre, Liebe, Lust und Leiden auf dem platten Land, aber auch Gelassenheit und menschliche Größe – man lässt sich gerne entführen in diese drei Frauenleben im 20. Jahrhundert. Von denen eins im 19. Jahrhundert beginnt und erst im 21. endet!

„Letzte“ Reise, Roman von Anna Enquist

Der Roman beschreibt das Leben von Elizabeth Cook, Frau des berühmten Entdeckers James Cook. Hat man den Klappentext vorher gelesen, so weiß man genau, was einen an Fakten erwartet: Elizabeth lebt im ständigen Wartestand und muss hinnehmen, dass ihr Mann entgegen seinen Versprechungen auch noch zu einer dritten Entdeckungsreise aufbrechen wird, von der er nicht zurückkehrt. Ebenso weiß man vorher, dass sie ihre sechs Kinder überleben wird.

Man könnte also sagen, die Spannung hält sich in Grenzen. Aber WIE dieses Frauenschicksal beschrieben ist, wie Elizabeth hofft, wartet, zweifelt, sich arrangiert („Ich muss mich freuen, dachte sie, das gehört sich so.“), und – besonders berührend, wie ihre lebenslange Sehnsucht nach ihrer einzigen Tochter geschildert wird, das ist einfach großartig. Die Sprache ist pointiert, spröde und kühl und transportiert doch unglaublich nachvollziehbar die tiefen Gefühle.

Tief taucht man in das 18. Jahrhundert ein, erfährt natürlich auch viel über die Entdeckungsreisen von Cook, verfolgt, mit welcher Hartnäckigkeit Elisabeth auf der Klärung der Umstände seines Todes beharrt. Am meisten berührt hat mich aber immer wieder aufs neue die Beschreibung ihrer widerstreitenden Gefühle: „Sie schwieg. Ein Monat. Das Haus würde sich plötzlich zu klein anfühlen, als passte es nicht. Ein großer Körper würde neben ihr im Bett liegen, die Nacht von unvermitteltem Knarren und Schnarchen erfüllt sein. Sie würde ihm gegenüber sitzen. Zögernd würden sie anfangen, ihre Geschichten zu erzählen, du zuerst, nein, lieber erst du.“

Nicht nur wer gerne Frauenbiografien liest, wird mit diesem Buch wunderbare Stunden verbringen.