Einer von euch, B. Schweinsteiger, Martin Suter 

Suter ist ein sehr bekannter und erfolgreicher Romanautor, ein „Romancier“, wie er sich selbst bezeichnet. So jemand schreibt eine Biografie über einen Fußballstar? Obwohl ich Fußballfan bin, Schweinsteiger und Suter mag, hatte ich dennoch Zweifel. Und fragte mich, was ist eigentlich ein biografischer Roman? Er erzählt „Wahres und fast Wahres“ und ist „faktengetreu, aber mit literarischer Freiheit geschrieben“. Kann das funktionieren?

Die sehr kurzen Abschnitte innerhalb der insgesamt sieben Kapitel sind anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, gleichzeitig machen sie aber auch die Lektüre leicht verdaulich. So rutscht man leichtfüßig 😉 in das Leben des Fußballstars hinein. Schweinsteiger ist in Oberbayern geboren und natürlich spielt er beim FC Bayern (nicht mein Verein …). Man kann aber nachvollziehen, warum er sich dort und in seinen Wohnvierteln in München so wohlfühlt. Selbstverständlich tauchen bekannte Personen auf, die seinen Weg beeinflusst haben – Uli Hoeneß, Oli Kahn, Mull (Müller-Wohlfahrt) und Kollegen wie Badstuber und Neuer. Nicht alle Trainer, unter denen Schweinsteiger spielte, waren ihm durchgängig wohlgesonnen. Bei Magath (das ist der mit den Medizinbällen) und Mourinho (Trainer der Roten Teufel) musste Basti zeitweise hart um sein Standing und seinen Platz im Team kämpfen.

Natürlich geht es auch um das immer krassere „Drumherum“ im Fußball: Um die Rolle der Berater, die das große Geld wittern, die unerbittlichen Medien, die einen Fußballspieler an einem Tag in den Himmel loben und am anderen in Grund und Boden schreiben. Und um die unglaublichen Gehälter, die Luxusquartiere, in denen die Spieler sich auf Turniere vorbereiten, den ganzen Reichtum, von dem die Spieler umgeben sind. (Suter schreibt mit Wohlwollen, wie er es in einem FAZ-Interview sagte.) Aber auch die vielen Nackenschläge in Form von immer wieder auftretenden Verletzungen und mühsamen Heilungsprozessen sind Thema, die man als Zuschauer nur am Rande mitbekommt, und die man bei all dem Glamour, der die Fußballstars umgibt, allzu leicht vergisst. 

Dennoch liest sich die Geschichte über weite Strecken wie ein Märchen, vor allem natürlich, wie Basti und Ana Ivanovic, der berühmte Fußballer und die berühmte Tennisspielerin sich gefunden haben. Nettes Schmankerl: Kleine schwarzweiße Fußbälle stehen über den kurzen Text-Abschnitten, kleine Tennisbälle, wenn es um Ana geht. Und ein Fußball und ein Tennisball, wenn es um die beiden geht. Das kommt gegen Ende häufiger vor 😉

Bei seiner emotionalen Verabschiedung im Jahr 2018 sagte Bastian Schweinsteiger: „Ich bin einer von euch.“ Das leistet dieses Buch, dass man ihm das abnimmt. Ich habe es insgesamt gerne gelesen.

Fußball? Au ja! Frauen-Fußball? Na ja …

Fußball ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Lange galt es als unfein, sich für Fußball zu interessieren, aber inzwischen sind auch immer mehr Frauen mit Begeisterung dabei. Ich zähle dazu, seit langem. Was gibt es Spannenderes als mitzufiebern, ob der Lieblingsmannschaft das entscheidende Tor gelingt, mitzuleiden, wenn der Ball an die Latte prallt, sich die Haare zu raufen, wenn der Schiri falsch pfeift und mitzujubeln, wenn das Runde im (richtigen!) Eckigen landet! Bei den manchmal irrwitzigen Wendungen kann man alles um sich herum vergessen: Tore in allerletzter Minute, die über Meisterschaften entscheiden, übers Weiterkommen in Turnieren, über Aufstieg oder Abstieg, Tore, die aus fast unmöglicher Position fallen und Tore, die man am liebsten sofort wieder verdrängen möchte.

Momentan läuft die Fußball-Europameisterschaft der Frauen, eigentlich ein Fest für Fußball-Fans und somit auch für viele Frauen, eigentlich  … Ich gucke zwar die Spiele der Deutschen, aber der Funke will nicht so recht überspringen, und das liegt nicht nur daran, dass unsere Mädels so mäßig spielen. Warum hat der Frauenfußball so viel weniger Zuschauer? Das Spiel der Männer ist sicherlich schneller und dynamischer, aber inzwischen auch sehr Taktik-geprägt. Bei den Frauen gibt es häufig schönere Spielzüge und weniger Unterbrechungen. Und dennoch … Meine Beschämung über mangelnde Solidarität mit unseren Frauen ließ mich ins Grübeln kommen; ich habe für mich folgende Erklärung gefunden: Mir fehlt beim Frauenfußball die Geschichte dahinter. Deutschland gegen die Niederlande oder gegen Italien –  was für Lampen gehen da an beim Männerfußball – das sind absolute Klassiker.

Wer erinnert sich nicht noch an das bittere Ausscheiden von Deutschland in den allerletzten Minuten der Verlängerung im Halbfinale der Weltmeisterschaft 2006 gegen Italien, oder an das verlorene Spiel bei der Europameisterschaft 2012 und die Siegerpose des Mario Balotelli? Und ich weiß noch wie heute, wie ich 1974 hochschwanger im Wohnzimmer auf und ab hüpfte, beim Endspiel der Weltmeisterschaft, Deutschland gegen die Niederlande, und dann das Siegtor von kleines, dickes Müller bejubelte!

Aber das ist natürlich ungerecht, wie sollen solche Legenden entstehen, wenn nicht genug Menschen mit Begeisterung Frauenfußball schauen. Ich nehme mir also vor, mehr zu gucken! Ich freue mich aber doch schon sehr auf die übernächste Woche, in der wieder der Ball in der ersten Fußball-Bundesliga rollt, bei den Männern, versteht sich …