„Vergiss mein nicht“, Film von David Sieveking

Ein Sohn (Regisseur David Sieveking) macht einen Film über seine an Alzheimer erkrankte Mutter und steht dabei sowohl vor als auch hinter der Kamera. Ein mutiges Unterfangen, das den Zuschauer auch ganz schön fordert.

Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich mich an die Stimme des Regisseurs Sieveking gewöhnt hatte und an das etwas Laienhafte der ersten Szenen. Dann hat es mich aber gepackt. Der Sohn fährt zu seinen Eltern nach Bad Homburg und übernimmt dort eine Zeitlang die Pflege seiner demenzkranken Mutter, um seinen Vater zu entlasten, der sie seit zwei Jahren betreut. Wir erleben, wie mühsam und anstrengend die Tage für den Sohn sind, wir sind dabei, wenn er mit seiner Mutter zusammensitzt und sie über alte Fotos reden, und wir beobachten gebannt, wie er versucht, sie zu etwas mehr Aktivität zu bewegen. Wir sehen auf den Fotos eine wunderschöne, politisch aktive Frau in jungen Jahren, die sich mit ihrem Mann an einer offenen Ehe versucht, was nicht ohne gegenseitige Blessuren abgeht. Aber die Ehe hat gehalten, beileibe keine Selbstverständlichkeit in der 68er Generation. Und nun widmet dieser Mann (Malte, der Vater des Filmemachers) seiner 73-jährigen Ehefrau, die langsam ihr Gedächtnis verliert, all seine Zeit und Kraft. Das ist liebevoll, warmherzig, berührend zu sehen. Es gibt auch durchaus lustige Momente. (Der Sohn ruft der aus dem Bild marschierenden Mutter zu „Gretel, wo gehst du denn hin?“ und sie antwortet „Keine Ahnung.“) Diese Szenen bewahren den Film davor, Betroffenheitskino zu werden, und sie tun dem Zuschauer gut – auch wenn es manchmal ein hauchdünner Grat zu peinlicher Berührtheit ist.

Der wiederholte Schnitt von den überaus schönen, klaren Zügen der Mutter als junge Frau, hin zu den verhärmten, verwaschenen Zügen der Demenzkranken, tut weh. Umso wohltuender ist es, das Antlitz mit zunehmender Dauer des Films – was letztlich bedeutet mit zunehmender Nähe zum Tod – als immer klarer und konturierter, geradezu leuchtend, zu erleben.

Mich würde interessieren, was jemand, der näher in Kontakt ist mit Alzheimerkranken, zu diesem Film sagt. Hat es eine Bedeutung, dass die Mutter über weite Strecken die Augen so fest geschlossen hält? Kommentare also ausdrücklich erbeten!

„Lincoln“ – Film von Steven Spielberg

Hollywood-Produktionen schauen wir uns eher selten an, uns reizen mehr die kleineren Produktionen, die nicht so im Mainstream sind. Aber den Film Lincoln wollte ich unbedingt sehen, nicht zuletzt auch, um mehr über den 16. Präsidenten der USA zu erfahren, unter dem die Sklaverei abgeschafft wurde und den Barack Obama als sein Vorbild nennt.

Leichte Kost ist das nicht. Die teilweise ermüdend langen Redepassagen und die darin verhandelten Inhalte erfordern viel Geduld und volle Konzentration. Zum Glück hatte ich vorher eine Besprechung des Films gelesen, so habe ich wenigstens ansatzweise verstanden, um was es geht. Lincoln will beides, den Frieden zwischen den im Krieg liegenden Süd- und Nordstaaten UND die Abschaffung der Sklaverei. Warum er deshalb den Frieden erst einmal aufhalten muss, fand ich im Film schwierig nach zu vollziehen. Aber nur so war es möglich, den 13. Verfassungszusatz, die Abschaffung der Sklaverei, durch den Kongress zu bringen. Lincoln hat ein kleines Zeitfenster, wie wir heute so schön sagen, und er nutzt es. Der Erfolg gibt ihm recht. Er zahlt einen hohen Preis dafür. Ohne Betrug, List und Tücke wäre das nicht möglich gewesen, die fehlenden Stimmen werden mit allen Tricks und Finessen errungen. In dem Fall heiligt der Zweck unbestritten die Mittel, es geht um Großes. Aber man kann sich lebhaft vorstellen, wie auch für weniger Sinnvolles und Bedeutendes heutzutage gekungelt, geschoben, betrogen und bestochen wird – überall auf der Welt. Es ist das alte Spiel um Macht und Moral.

So taucht man einesteils ganz tief in die Lincoln-Ära ein (auch dank eines großartigen Daniel Day-Lewis), andererseits ist man viel in den heutigen Vereinigten Staaten, denkt an die Gesundheitsreform, die Obama unter so großen Schwierigkeiten durchgebracht hat, und die ständige gegenseitige Blockade von Republikanern und Demokraten. Dieser Bogen ist es, der mich fasziniert hat. Insofern lautet mein Urteil: unbedingt empfehlenswert!