Wenn Martha tanzt, Tom Saller

Ein ungewöhnlicher Roman. Ich bin unentschieden in meinem Urteil. Aber ich finde das Buch bzw. sein Thema dennoch interessant genug, um es hier vorzustellen. Die Protagonistin Martha wird 1900 in einem kleinen Dorf in Pommern geboren, als Tochter des Kapellmeisters. Zum Leidwesen des Vaters scheint sie unmusikalisch zu sein, doch ein guter Freund der Familie entdeckt, dass Martha Klänge als geometrische Figuren wahrnimmt. Als junge Frau schafft sie den Sprung ans Bauhaus in Weimar und lernt dort, Töne in getanzte Figuren umzusetzen. In dieser Zeit macht sie sich ständig Notizen in ihrem Tagebuch, in dem sich auch berühmte Künstler wie Feininger, Klee und Kandinsky mit Zeichnungen und Skizzen verewigen. Als dunkle Zeiten aufziehen, muss auch das Bauhaus schließen; in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verliert sich Marthas Spur. 

2011 reist ein junger Germanistikstudent mit Marthas Tagebuch nach New York, um es für eine horrende Summe zu verkaufen …

Zwischen diesen beiden Zeitachsen und Handlungssträngen spielt die Geschichte. Der Teil in der Vergangenheit ist in kurzen Kapiteln geschrieben, oft in geradezu stakkatoartigen Passagen. Das macht es sehr schwer, zu den Protagonisten einen wirklichen Bezug zu bekommen; es bleibt eine merkwürdige Distanz, man beobachtet sie wie hinter einer Glasscheibe. Der Plot ist durchaus spannend, deshalb bin ich auch drangeblieben – und weil mich die Bauhaus-Zeit und die dort tätigen Künstler interessieren. Allerdings bleiben auch die Künstler blass. Das Ende ist für meinen Geschmack eindeutig überkonstruiert. 

Mein Fazit: Man hätte viel mehr aus dem Thema machen können. Ich bin verwundert, dass das Buch auf die Spiegel Bestsellerliste gelangt ist.