Unsere Stimmen bei Nacht, Franziska Fischer

Für dieses Buch braucht man etwas Geduld – ich brauchte für dieses Buch etwas Geduld. Es ist wie ein langer ruhiger Fluss, viel passiert nicht. Aber dazwischen funkeln einzelne Sätze auf, die treffend und feinsinnig Gefühle, Gedanken und Empfindungen beschreiben. Und damit das Buch zu einer lohnenden Lektüre machen.

Es geht um eine Wohngemeinschaft – sechs Personen, die in einer alten Villa leben – zunächst mehr nebeneinander, aber zunehmend miteinander. Die Eigentümer Herbert und Gloria (beide in ihren Fünfzigern) vermieten die Zimmer, nachdem ihre Kinder ausgezogen sind und sie ihre Finanzen aufbessern müssen. Gloria kocht gut und gerne, und einmal in der Woche versammeln sich alle um den großen Esstisch. Neben ihrem Mann Herbert, einem technikfeindlichen Antiquar, sind das: Gregor, ein einsiedlerischer Professor mit seiner 15-jährigen Tochter Alissa, die sich nur schwer mit der Trennung ihrer Eltern abfinden kann. Jay, ein Student, der in der ständigen Angst lebt, seinen Eltern nicht zu genügen. Und Lou, eine lebenslustige junge Frau, die als letzte zu der Gemeinschaft stößt und dieser zunehmend Leben einhaucht.

Im Laufe der Zeit erfährt man mehr über die einzelnen Personen, ich hätte mir allerdings noch deutlich mehr Hintergründe gewünscht. Die Autorin nimmt häufig andere Protagonisten in den Blick, manchmal mitten im Absatz, das ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber letztlich sehr geschickt gemacht. Und es zeigt die zunehmende Verknüpfung der Villenbewohner.

Konflikte gibt es so gut wie keine, alle nehmen Rücksicht aufeinander, die zunehmend stattfindenden Begegnungen im Garten der alten Villa sind fast zu schön, um wahr zu sein. Das könnte dem ein oder anderen Senior Lust machen, im zu groß gewordenen Haus  Zimmer zu vermieten. Und auch wenn im wirklichen Leben vielleicht mehr Konflikte an der Tagesordnung sind, ist die Lebensform insgesamt doch interessant und durchaus nachahmenswert. Mich hat das Buch an meine zehn schönen Jahre in einer Wohngemeinschaft erinnert, nicht zuletzt deshalb habe ich es gerne gelesen. Ein Dankeschön an Wolter für den Tipp!

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