Ein Hoch auf den Herbst

Während um mich herum geklagt wird, dass der Sommer zu Ende geht, laufe ich zu Hochform auf. Ich freue mich auf den Herbst! Brütende Hitze braucht doch kein Mensch. Gegen Kälte kann ich mich warm anziehen, gegen Regen schützen, aber bei Hitze fühle ich mich wie ausgebremst. Und wie schön es jetzt draußen ist! Der Himmel ist oft klarer und von tieferem Blau, die Luft frischer und das Licht besonders  schön. Die letzten Brombeeren verstecken sich im Gewirr der Zweige, das Korn ist eingefahren und lässt den weiten Blick über die Felder zu. An den Rosensträuchern leuchten die Hagebutten sanftrot, und vereinzelt raschelt schon Laub unter den Füßen.

Wenn es regnet und stürmt, kann ich mit Anstand drinnen bleiben. Auch der Garten ruft nun bald nicht mehr nach mir. Ich kann mich an den Schreibtisch setzen und wieder mehr bloggen, kann kramen, lesen, schreiben, die Wohnung umdekorieren. Es wird nun wieder früher dunkel, und nach der sommerlichen Fernsehabstinenz freue ich mich auf das geliebte Sonntagabend-Ritual – Tatort gucken und zwar einen aktuellen. Dazu gibt es statt halbherzigem Rosé vollmundigen Rotwein.

Auch klamottentechnisch beginnt nun bald die wunderbare Zeit der herrlich nach Leder riechenden Stiefel, der kuscheligen Strickjacken, Schals und Rollkragenpullover. Ok – noch ist es nicht so weit, auch ich genieße die milden Spätsommertage sehr – aber dennoch: Ich freue mich auf die erste Kastanie, diesen schimmernden Handschmeichler, der endgültig den Sommer verabschiedet. Wenn es im Volksmund tröstend heißt „auch der Herbst hat schöne Tage“ halte ich dagegen „pah, der Herbst hat die schönsten Tage!“

Out of Rosenheim?

Rosenheim – so dachte ich bisher – ist ein kleines, verschlafenes, spießiges Nest in Bayern. Gerade waren wir eine Woche dort, Haus und Hund hüten bei Freunden, und ich gestehe beschämt, ich habe mich geirrt und zwar gründlich. Rosenheim hat nicht nur eine geniale Lage für alle möglichen Freizeitaktivitäten: Rosenheim ist mit 60.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt in Oberbayern und hat richtig viel zu bieten.

Schon auf der Autobahn überraschte mich das Schild „Historische Altstadt Rosenheim“. Und in der Tat, Marktplatz und Umgebung können sich sehen lassen: wunderschöne Hausreihen im Gründerzeitstil mit farbigen Fassaden und verschnörkelten Erkern erfreuen das Auge. Ebenso finden sich dort die von mir so sehr geschätzten Arkaden, die südlichen Flair ausstrahlen – wie man es auch von Bozen kennt.

Begeistert waren wir von der alten Kunstmühle, die heute ein Café beherbergt ­– schwer zu entscheiden, ob man lieber draußen sitzt, am Flüsschen Mangfall, oder drinnen, in dem alten, wunderschön gestalteten Industriegebäude. Ein Ausflug ins benachbarte Kolbermoor ist ebenso empfehlenswert. Die Alte Spinnerei ist ein Baudenkmal an der Mangfall, das jahrelang im Dornröschenschlaf lag und vor ein paar Jahren zum Leben erweckt wurde. Nun befinden sich dort inmitten der alten Industriedenkmäler Cafés, ein italienisches Restaurant, und kleine, individuelle Geschäfte sowie jede Menge schicker Wohnungen und Büroräume.

Es hätte noch eine Menge zu sehen gegeben (z.B. lief gerade eine Ausstellung über Alexander den Großen im Lokschuppen), aber wir waren auf Wandern gepolt und Rosenheim ist der ideale Standort für größere und kleinere Touren in die Berge und an Dutzende verschiedener Seen, in denen man herrlich baden kann. Dafür braucht man Rosenheim übrigens noch nicht mal zu verlassen, an Mangfall und Inn tummelten sich so viele Menschen, wie ich sie vielleicht an der Isar in München vermutet hätte.

Der Sohn von Freunden studiert Holztechnik an der dortigen Fachhochschule. Er schätzt die zahlreichen Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten, sagt aber auch, dass es für junge Leute etwas öde ist. Diese Seite mag es auch geben. Für uns hat die Zeit nicht gereicht. Für uns ist Rosenheim jetzt „in“.