Matthias Brandt, Blackbird

Dieses Mal ein Leseerlebnis mit Anlauf! Zu Beginn dachte ich, das Buch gefällt mir zwar, aber man muss es nicht unbedingt lesen. Die Jugendsprache erschien mir anfangs etwas aufgesetzt. Aber dann bin ich ganz eingetaucht in die Welt des sechzehnjährigen Protagonisten und sehr bewegt wieder aufgetaucht.

Es ist ein klassischer Coming of Age Roman, der sich zwischen den Polen Liebe und Tod als Möglichkeiten im Leben bewegt. Ich bewundere Brandt, wie er die Lebens- und Gefühlswelt eines Jugendlichen mitsamt der Sprache abbildet. Aber auch für alle, die sich noch an ihre Jugend in den Siebziger Jahren erinnern, ist es eine wunderbare Lektüre. 

Vom Inhalt möchte ich gar nicht viel verraten. Neben den ganz großen Themen erste Liebe und lebensbedrohliche Erkrankung geht es um Freundschaft, Mut, Abgrenzung von der Familie und um den Schulalltag.  

Der Roman gipfelt in einer (sehr langen) fulminanten Szene, in der alles drin ist – die ganze Bandbreite des Lebens – gespickt mit wunderbarem Humor. Man lacht, obwohl einem zum Weinen zumute ist. Das ist wirklich hohe Kunst. Und nicht nur das Ende, aber das ganz besonders, zeugt von Brandts genauer Beobachtung, seiner Menschenkenntnis, viel Lebensweisheit und einem meisterhaften Umgang mit Sprache. Sehr sehr lesenswert!

Astrid Ruppert, Wilde Jahre

Ab und zu ein schöner Schmöker tut der Seele gut. Und das Mutter-Tochter-Thema, dem Ruppert sich in ihrer Trilogie widmet, ist immer ein spannendes. Diesen zweiten Teil über die Frauen der Familie Winter habe ich auch deshalb gerne gelesen, weil er die Jahre meiner Jugend aufgreift, in Wiesbaden, im Rheingau und in England spielt.

Ging es im ersten Band um Lisette, die sich aus den konventionellen Zwängen ihres Elternhauses befreit , so steht nun Lisettes Enkelin Paula im Mittelpunkt. Auch sie hat einen unbändigen Freiheitsdrang, will dem engen Elternhaus entfliehen und kostet die bewegten siebziger Jahre nach Kräften aus. Sie schlägt sich mit „unbürgerlichen“ Jobs durchs Leben. Gleichzeitig versucht sie ihrer Tochter Maya eine gute Mutter zu sein. Und ein gutes Vorbild – sie wünscht sich so sehr, dass ihre Tochter genauso freiheitsliebend und mutig durchs Leben geht, wie sie selber. Aber Maya ist ganz anders als ihre Mutter, und manchmal scheinen die Gräben zwischen den beiden unüberwindbar. Ganz ähnlich wie zwischen Paula und ihrer sesshaften Mutter Charlotte, um die es im dritten Teil gehen wird. 

Die Autorin wechselt zwischen den Zeiten und den Erzählperspektiven, verknüpft geschickt die Lebenswege von Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Enkelin. In der gesamten Familie Winter herrscht große Sprachlosigkeit, jede Frau ficht Kämpfe mit ihrer Mutter bzw. ihrer Tochter aus, versucht sich aus Zwängen zu lösen, oder auch eben nicht. Und jede schweigt beharrlich über ihre Beweggründe.

Es ist Urenkelin Maya, die erstmals versucht, das Schweigen in den verschiedenen Generationen aufzubrechen und die hartnäckig nach Antworten sucht. Und mit zunehmender Kommunikation untereinander wächst auch das Verständnis füreinander. Auch als Leserin kann man mehr und mehr nachvollziehen, warum sich die Frauen für diesen oder jenen Weg entschieden haben. Das Buch ist wunderbar zum Schmökern, bietet aber auch Stoff zum Nachdenken.

Man kann den zweiten Teil sicherlich lesen, ohne den ersten zu kennen, aber ich würde raten, beide Bände zu lesen und ich freue mich schon auf den dritten, der dann Geheimnisse um Charlotte lüften wird, die Großmutter.  

PS/Das Buch hat einige Rechtschreibfehler, stört das nur mich?