„Lo und Lu, Roman eines Vaters“, von Hanns-Josef Ortheil

Ein gefeierter Schriftsteller bleibt daheim, um sich um seine beiden kleinen Kinder Lo und Lu zu kümmern, während seine Frau arbeiten geht. Ein höchst vergnügliches, fabelhaftes und selbstironisches Buch ist das Ergebnis: „(…) natürlich bin ich kein Hausmann, der kocht, putzt, wäscht, sondern ein Schriftsteller der durch seine Arbeit ans Haus gebunden ist (…)“. Denkste! Ortheil beschreibt in seiner wunderbaren Sprache, wie er sich langsam von dieser Vorstellung verabschiedet. Wie er Schritt für Schritt begreift, dass seine alten Gewohnheiten sich nicht aufrecht halten lassen, und dass gelegentliche kinderfreie Momente nicht ausreichen, um seiner schriftstellerischen Tätigkeit nachzugehen. Ja, dass sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt wird durch die zweijährige Lo und den neugeborenen Lu. Und er beginnt, Tagebuch zu schreiben, „das ist so etwas wie die Schwundstufe von Arbeit.“

Ortheil lässt sich voll auf dieses neue Leben ein und schildert voller Wärme, aber auch mit leisem Spott über sich selbst, wie er die Tage mit den Kindern verbringt und die Welt mit ihren Augen ganz neu erfasst. Und vieles erstmals erlebt: Klamotteneinkauf fürs Töchterchen mit der bitteren Erkenntnis, dass man in den Augen attraktiver Verkäuferinnen nun eher Papa als Mann ist, den ersten generalstabsmäßig geplanten und dennoch nicht komplikationslosen Kindergeburtstag, den Rombesuch mit den lieben Kleinen. Ein Kapitel gilt einem Tag in Köln mit Besuch des Kölner Doms und des Schokoladenmuseums. Zwischendurch verschafft sich der Papa durch eine eilig herbeigerufene Verwandte etwas Freiraum, genehmigt sich ein paar Kölsch und verfällt ins Philosophieren, alleine und mit dem Köbes. (Für Nicht-Rheinländer: Köbes = Kellner in Brauhäusern in Köln, Düsseldorf, Bonn und Krefeld).

„Wer glaubt, dass man sich beim Bauen, Spielen und Fahren entspannen kann, kennt Bauen, Spielen und Fahren nicht richtig.“ Alle Eltern von kleinen Kindern werden wissen, wovon der Mann redet. Und ihre Freude daran haben. Wer glaubt, nach der Lektüre umfassend auf die Tücken des Familien-Alltags vorbereitet zu sein, den muss ich aber enttäuschen. Viele profane Seiten des Lebens mit Kleinkindern werden verschwiegen bzw. idealisiert. Aber es geht ja um die „Weite des Lebens“, und die wird laut Ortheil „ausschließlich markiert von der Freude und dem alltäglichen Glück.“ Ein schönes Buch!

„Das glückliche Buch der a.p.“, von Christine Brückner

Lieblingsbücher begleiten einen ein Leben lang – stimmt das wirklich? Ich habe festgestellt, dass mir einige Bücher, die ich seinerzeit als Lieblingsbücher auserkoren hatte, später nicht mehr so gut gefallen.

Aber bei diesem war es anders: Ich habe es genauso gerne gelesen wie vor vielen Jahren. Obwohl die Form ein bisschen aus der Zeit gefallen ist: Es ist ein Briefroman. Die strenge Definition dieser Gattung besagt, dass es ein vollständig oder zumindest überwiegend aus fiktiven Briefen bestehender Roman ist. Das ist hier nicht der Fall. Denn diese Briefe sind authentisch. Das macht es so besonders, so spannend und so glaubwürdig.

Der Briefwechsel schildert die langsame Annäherung des Schriftstellerpaares Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner, ein Prozess, der über rund fünfzehn Jahre läuft, bis beide sich auf das Wagnis einer zweiten Ehe einlassen.

Vorsichtiges Abtasten wechselt ab mit kollegialem Austausch, kokettes Flirten mit brüsker Distanzierung. Ab einem bestimmten Stadium ist klar: beide brennen lichterloh. Aber dann treten die Unterschiede zwischen ihr und ihm hervor. Sie sagt, erst kommt das Leben, dann das Schreiben, bei ihm kommt erst das Schreiben, dann das Leben. Sie ist eine brauchbare Frau für den gelebten Alltag, er der Mann für Trennungen, die ihn die Liebe noch deutlicher spüren lassen. „Ich will ihn für alle Fälle. Ich will die Regel. Er die Ausnahme.“

’Wegfahrer’ nennt sie ihn, ’Nichtsnutz’, ’Vagabund’ – das ist durchaus liebevoll gemeint und doch immer eine Spur bitter, weil er sich ihr ständig entzieht, sich nicht völlig einlässt. Aber sie überwinden alle Klippen und drücken tiefe Freude und Dankbarkeit über das Glück im fortgeschrittenen Alter aus. (Dazu muss man wissen: Beide sind 1921 geboren und gerade mal in ihren Vierzigern!)

Die Briefe sind originell, lebendig, witzig, welthaltig, verzagt, das Leben umspannend – und natürlich sind sie immer geschliffen formuliert, einfach großartig. „Der Oktober novemberte sich zu Ende“, was für ein Bild! Ab und an gibt es Einschübe, Aktennotizen aus offiziellen Schreiben, Urlaubsimpressionen, philosophische Betrachtungen, alle klug formuliert und gut zu lesen, aber am besten gefallen mir die Briefe.

Das Buch gibt es leider nur noch antiquarisch.