„Töchter einer neuen Zeit“, von Carmen Korn

Ein dicker Schmöker. Die Geschichte von vier Frauen, die um die Jahrhundertwende geboren sind und zwei Weltkriege erleben. Obwohl das Buch 550 Seiten hat, bleibt es bei der Innenschau der Personen seltsam an der Oberfläche. Keine der handelnden Personen kommt einem wirklich nahe. Man schaut von außen auf die Figuren und ihr bewegtes Leben. Die Nebenfiguren stehen einem fast plastischer vor Augen als die vier Frauen. Die bodenständigen Eltern von Käthe – die patente Mutter mit ihren Kochkünsten und der Vater mit seinen lakonischen Sprüchen – sind echte Hamburger Originale und mir als solche ans Herz gewachsen. Ebenso die beiden sehr unterschiedlichen Ärzte, die die Wege der Frauen immer wieder kreuzen. Insgesamt sind es sehr viele handelnde Personen und die Personenübersicht in der Vorderklappe hätte noch viel ausführlicher sein können – zu verwirrend sind die vielen Namen.

In der hinteren Klappe ist ein Stadtplan, der Hamburg 1919 zeigt, bzw. die Viertel Uhlenhorst, Barmbeck, Hohenfelde und Eilbeck, in denen der Roman überwiegend spielt. Das ist eine gute Idee, macht es doch das Geschehen plastischer. Die politischen Ereignisse der dunklen Zeit rund um die beiden Weltkriege bilden den Hintergrund, vor dem sich alles abspielt.

Es fehlt insgesamt etwas an Tiefe – dennoch, nach und nach schließt man alle Figuren ins Herz und will wissen, wie es mit ihrem Leben weitergeht. Es gibt noch einen zweiten und einen dritten Band. Die Aufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg bieten ja genug Stoff für interessante Geschichten. Ich werde also demnächst „Zeiten des Aufbruchs“ lesen.

Bücher über die Zeiten, in denen unsere Mütter sich durchs Leben schlagen mussten, finde ich generell interessant. Das scheint vielen anderen auch so zu gehen, denn vorne auf dem Buch klebt ein Sticker BestBestseller – das finde ich nicht nur affig, sondern auch inhaltlich nicht gerechtfertigt. „Töchter einer neuen Zeit“ ist nette Unterhaltungsliteratur, die sich leicht weg liest.

 

 

„Wir sind doch Schwestern“, von Anne Gesthuysen

Die Autorin Anne Gesthuysen ist nicht nur ARD-Morgenmagazin-Moderatorin, sondern auch Ehefrau von Frank Plasberg und somit „Promi.“ Sie hat ihren ersten Roman geschrieben; er ist fiktiv, beruht aber auf den Erinnerungen, Erzählungen und Anekdoten ihrer drei Großtanten.

Es geht um Schwesternliebe und um ein Leben auf dem Land, am Niederrhein im vorigen Jahrhundert. (Ich hatte Freude an ein paar plattdeutschen Kraftausdrücken, z.B. „du bis enne Prootsack“, sinngemäß etwa: „du bist gemein“. Aber man muss nicht vom Niederrhein stammen, um das Buch zu verstehen!)

Die Geschichten der drei Schwestern sind natürlich miteinander verwoben, die der ältesten und der jüngsten auf besondere Art und Weise. Die Handlung setzt mit den Vorbereitungen für Gertruds hundertsten Geburtstag ein. Katty, die jüngste mit ihren vierundachtzig, plant und organisiert das Fest in gewohnt professioneller Art und Weise, eine ihrer größten Stärken, von der einst auch die Liebe ihres Lebens profitierte. Unerreichbar war er für sie, der bedeutende CDU-Politiker und Landtagsabgeordnete. Aber eigentlich ist das nur die halbe Wahrheit!

Immer wieder lässt Gesthuysen ihre Protagonistinnen zurückschauen und sich erinnern. Jedes der drei Frauenleben ist auf seine Art bunt und bewegt, auf jeden Fall nicht stromlinienförmig. Die Lebenslust, die alle drei im hohen Alter immer noch ungebrochen ausstrahlen, hat etwas Ansteckendes. Die Geschichte plätschert über weite Teile dahin, wirklich Fahrt nimmt sie erst gegen Ende auf. Aber sie ist nett zu lesen. Wenn vom Elf-Ührken die Rede ist, (ein Schnäpschen, das man sich zwischendurch mal genehmigt, um besser durch den Tag zu kommen), oder von einem in Flagranti ertappten Paar („die Hosen an Knöcheln und Kniekehlen allerdings verhinderten einen koordinierten Abgang“), so muss man bei aller durchaus vorhandenen Tragik immer wieder schmunzeln.

Zwei Weltkriege, die moralingesäuerten fünfziger und sechziger Jahre, Liebe, Lust und Leiden auf dem platten Land, aber auch Gelassenheit und menschliche Größe – man lässt sich gerne entführen in diese drei Frauenleben im 20. Jahrhundert. Von denen eins im 19. Jahrhundert beginnt und erst im 21. endet!