Der Weg zum eigenen Buch – 7

Kapitel 7:  Verlagssuche oder die Hoffnung stirbt zuletzt

Bevor es an die Verlagssuche ging, hieß es nochmals intensiv überarbeiten. Überarbeiten heißt: kürzen, umstellen, ganze Passagen oder gar Kapitel streichen und Fehler ausmerzen. Die schienen wie aus dem Nichts immer wieder nachzuwachsen. Auch Zweifel waren stets dabei, wird das jemals jemand lesen wollen? Ist das Thema wirklich spannend genug? Es gab ein Feedback zum Manuskript, dass das Thema eigentlich kein Thema sei – dass eine Beziehung mit einem solchen Altersabstand kein Hindernis darstellen sollte. „Sollte“ mag richtig sein. Aber ich habe es anders erlebt, und ich nehme nach wie vor wahr, dass bei solchen Paaren in Zeitschriftentexten die Altersangaben nicht einfach in Klammern stehen, wie üblich, sondern fast immer der Zusatz dabei ist: Frau Mustermann mit ihrem deutlich jüngeren Partner. Aktuell ist die Aufregung groß um die 24 Jahre ältere Frau des neuen französischen Präsidenten. Der Altersunterschied bei Trump und seiner Frau ist ähnlich, wird aber von niemandem erwähnt.

Irgendwann dann: Tusch! Die Suche nach einem Verlag stand an. Die Wahrscheinlichkeit, als Newcomer einen Belletristik-Verlag zu finden, liegt im Promillebereich, das wusste ich. Aber man kann es ja mal probieren. Ich habe mir die Verlagsprogramme aller einschlägigen Verlage genau angeschaut. Sonst braucht man gar nicht anzutreten! 13 Verlage schienen zu passen, die habe ich angeschrieben. Dann hieß es warten und zwar mehrere Monate … Von fast allen habe ich immerhin freundliche Absagen erhalten. Das ist keineswegs selbstverständlich bei der Flut an Manuskripten, die dort eintrudeln. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Manuskript übrigens den Titel „Ausgerechnet Jan-Jonas.“

Später ist mir klargeworden, dass der heute übliche Weg fürs Verlegen über Literaturagenten führt, dass ich also besser beraten gewesen wäre, mich bei einem Agenten zu bewerben. Denn bewerben muss man sich dort auch. Natürlich hat ein Agent Interesse daran, einen vielversprechenden Autor zu vermarkten, am liebsten jung und mit der Aussicht auf noch viele weitere Bücher, die man bei einem Verlag unterbringen kann. Aber auch für mich wäre das aussichtsreicher gewesen, als sich direkt an einen Verlag zu wenden. Also nun saß ich da mit meinem fertigen Text und den gesammelten Absagen – und jetzt?

„Du bist nicht so wie andre Mütter“, von Angelika Schrobsdorff

Was für ein Leben! Else Schrobsdorff, im ausgehenden 19. Jahrhundert als Tochter jüdischer Eltern geboren, lässt es in den Goldenen Zwanzigern so richtig krachen: Theater, Konzerte, Partys, wilde Wochenenden, Liebesgeschichten und Leidenschaften. Jahre ohne finanzielle Sorgen, immer einen (Ehe-)Mann an der Seite und drei Kinder, die Else zwar innig liebt, aber für die sie wenig Geduld aufbringt und die häufig von Hausangestellten oder Großeltern betreut werden. Dann in den dreißiger Jahren das langsame Zuziehen der Schlinge, das von ihr, als Jüdin, die mit einem deutschen Mann verheiratet ist, zu Beginn nicht recht ernst genommen wird.

Das Buch beschreibt zwei Lebensabschnitte, die unterschiedlicher nicht sein könnten: im ersten Teil das fast dekadente Leben, im zweiten Teil die Schrecken und Entbehrungen der Kriegsjahre als verfolgte Jüdin mit halbjüdischen Kindern. In einem dritten Teil finden sich Elses Briefe an Freunde, in denen man noch mal sehr viel über den Menschen Else Schrobsdorff und die Nachkriegszeit erfährt. Dieser Teil hat mich besonders berührt, weil er so deutlich macht, dass mit dem herbeigesehnten Kriegsende noch längst nicht alle Schrecken ausgestanden waren und sehr bittere Jahre folgten.

Die Autorin setzt das Bild ihrer Mutter aus vielen einzelnen Puzzlesteinen zusammen: Fotoalben, Briefe, eigene Erinnerungen und die von Freunden. Das Zitat „Du bist nicht so wie andre Mütter“ stammt aus einem Gedicht ihres Bruders, das er für die Mutter verfasst hat. Eine gut geschriebene Biografie über ein interessantes und ungewöhnliches Frauenleben – bewegend, berührend, eindrucksvoll – empfehlenswerte Lektüre!

Der Weg zum eigenen Buch – 6

Kapitel 6: Coming out oder keine Angst vor Kritik

Irgendwann war es soweit – ich habe mich tatsächlich getraut, einer Freundin die ersten Seiten zu schicken! Dann habe ich fast vergessen weiterzuatmen bis zu ihrem ersehnten, gleichermaßen erhofften wie befürchteten Feedback. Sie hat sich blitzschnell gemeldet (danke, Heike!) und auf den AB gesprochen (ich war doch tatsächlich nicht da in diesem großen Moment!). Mit Herzklopfen und Schnappatmung habe ich es abgehört. Ihren positiven Kommentar habe ich bis heute nicht gelöscht, habe es mir wieder und wieder angehört 🙂 Und fleißig weitergearbeitet!

Und dann kam (wiederum Monate später) der große Tag, an dem ich das fertige Roh-Manuskript an mehrere Testleser geschickt habe, teils Freunde, teils Familie, teils Fremde. Mit großen Ängsten, viel Scham, und auch ein bisschen Hoffnung brachte ich die wertvolle Fracht zur Post. Man gibt so viel von sich preis beim Schreiben – ich umso mehr, als ich in Teilen unsere eigene Liebesgeschichte als Grundlage für den Plot genommen habe. Die Reaktionen waren überwiegend positiv und es gab wertvolle Rückmeldungen, die mich beflügelt haben weiterzumachen. Von einer Testleserin kam das Feedback, beim Namen Jan-Josef müsse sie sofort und zwanghaft an Jan-Josef Liefers denken. Da ich mir vorstellen konnte, dass viele Leserinnen diese Assoziation haben könnten, wurde (schweren Herzens) der Protagonistin Jan-Jonas umbenannt. Es begann die (endlose) Phase der Überarbeitung …

Der Weg zum eigenen Buch – 5

Kapitel 5: Arbeitsorganisation oder vom Segen der Struktur 

Nur Regelmäßigkeit hilft beim Schreiben – so gilt es für mich und inzwischen weiß ich, dass es für viele andere Schreibende genauso gilt. Zwischendurch mal ein kleines Zeitfenster nutzen, das funktioniert nicht. Man liest ja immer wieder mal von Autoren, die im Café schreiben oder die, umringt von quengelnden Kleinkindern, Brauchbares zu Papier bringen. Ich nicht! Und man darf diese Geschichten auch sicher anzweifeln. Von Hanns-Josef Ortheil, dem bekannten Schriftsteller, gibt es dieses wunderbare Buch „Lo und Lu“, in dem er selbstironisch berichtet, wie schnell er sich vom ernsthaften Schreiben verabschiedet hat, als seine Frau berufstätig war und er alleine die Kinder betreut hat.

Also, auch ich brauche definitiv das Gefühl mehrerer zusammenhängender Stunden ohne Störung, und das am besten viele Tage hintereinander. Bei mir kristallisierte sich der Vormittag als Arbeitszeit heraus. In der Regel arbeite ich vier Stunden, von neun bis eins. Weiß ich, dass im Laufe des Vormittags ein Termin außer Haus ansteht, oder sich ein Handwerker angekündigt hat, so ist „richtiges Schreiben“ schwierig, Geschriebenes zu überarbeiten funktioniert aber ganz gut. Die Konsequenz war, dass ich versuchte, alles, was nicht mit Schreiben zu tun hatte, in den Nachmittag zu verlegen. Gar nicht so einfach! Telefonanrufe und E-Mails vormittags zu ignorieren, steht einer natürlichen Neugier entgegen. Freunde und Familie zu briefen, dass ich nur nachmittags Zeit habe, war auch nicht so einfach und funktioniert bis heute nicht richtig – sicherlich auch, weil ich nicht konsequent genug bin. Aber das Manuskript wuchs dennoch. Auf einmal hatte ich über zweihundert Seiten geschrieben und ein Ende war in Sicht. Der nächste Schritt – das Geschriebene jemandem offenbaren – stand an. Puh!

Der Weg zum eigenen Buch – 4

Kapitel 4: Handwerkszeug oder der Kampf gegen den inneren Schweinehund 

Ich arbeite gerne an einem aufgeräumten Schreibtisch – für die äußere Ordnung musste ich aber erst mal für eine innere Ordnung sorgen. Wo wollte ich meine Geschichte ansiedeln? Die Entscheidung war recht schnell getroffen: in meiner sehr geschätzten Wahlheimat Wiesbaden, die mich bis heute mit ihren prachtvollen Altbauten und historischen Villengebieten begeistert, die aber auch als konservativ und überaltert gilt – also genau die richtige Kulisse für eine „provozierende“ Liebesbeziehung. 😉

Wie sollten die Hauptpersonen heißen? Deren Namen fielen mir quasi zu – die Protagonistin sollte Marie heißen, der Protagonist Jan-Josef. (Letzteres blieb nicht so, dazu später mehr). Als nächstes legte ich seitenweise Biografien aller Figuren an (Name, Aussehen, Charaktereigenschaften, Gewohnheiten, Vorlieben – unbedingt nötig, um den Überblick übers „Personal“ zu behalten und um eindeutige Charaktere zu schaffen). Dann erstellte ich einen detaillierten Zeitplan (auch das erwies sich im Nachhinein als äußerst nützlich), denn der Plot, das war mir schnell klar, sollte sich über mehrere Jahre hinziehen. Und dann schrieb ich und schrieb ich und schrieb ich. Das hört sich einfach an, wurde aber immer wieder von tiefsten Zweifeln unterbrochen – kann ich das, schaffe ich es, über einen ganzen Roman hinweg den Spannungsbogen zu halten, sind die Charaktere glaubwürdig? Und will ich das überhaupt – Stunde um Stunde am Schreibtisch sitzen, obwohl die neu gewonnene Freiheit nach langen, harten Berufsjahren lockte, der Garten nach mir rief, das Fahrrad einladend am Zaun lehnte, das erste Enkelkind behütet und bewundert werden wollte ? Ich blieb dran und das rechnete ich mir hoch an. Doch immer wieder kam mir das Leben dazwischen: alte Eltern, junge Enkel, der ganz normale Alltag mit Dreck in der Wohnung, Unkraut im Garten, Arztterminen und was es sonst noch so alles an Dingen gibt, die einen zielsicher vom Schreibtisch fern halten. Vom inneren Schweinehund mal ganz zu schweigen. Aber schon in einem recht frühen Stadium merkte ich, wie ich mich organisieren musste, wenn ich das Ding jemals zu einem Ende bringen wollte. Davon nächstes Mal mehr.

Der Weg zum eigenen Buch – 3

Kapitel 3: Los geht’s oder Fragen über Fragen

Als ich im Rahmen meines Fernstudiums Belletristik aufgefordert wurde, einen Romananfang zu schreiben, verfasste ich folgenden Text: Eine knapp vierzigjährige Frau erzählt ihren Freunden, dass sie im Job einen dreizehn Jahre jüngeren Mann kennengelernt hat und dabei ist, sich in ihn zu verlieben. Mitsamt der teilweise harschen und entmutigenden Reaktionen der Freunde. Die Lektorin fand das Thema spannend und ermutigte mich weiterzumachen. Ich setzte mich also eines Tages feierlich an meinen Schreibtisch, öffnete den Laptop, legte eine Datei mit einem Arbeitstitel (Ein ungleiches Paar) an und begann mit der Arbeit an meinem ersten Roman. Das ist jetzt fast vier Jahre her!

Manche Tage schüttelte ich den Kopf über das, was ich zu Papier gebracht hatte, an anderen Tagen dachte ich, ooch, das ist vielleicht doch nicht so schlecht. Den groben Bogen der Geschichte, den Plot, hatte ich schnell entworfen. Aber es galt viele Fragen zu klären: Wann und wo sollte die Geschichte spielen? Wie viele Charaktere würde ich benötigen, um die Reaktionen der Umwelt auf das Thema „Ältere Frau liebt jüngeren Mann“ glaubhaft darzustellen? Wie nah an unserer eigenen Geschichte durfte es sein? Welchen Namen sollten meine Protagonisten tragen? Die Antworten gibt es nächste Woche.

Der Weg zum eigenen Buch – 2

Kapitel 2: Ein Thema finden oder sieh, das Gute liegt so nah

Wie bereits erzählt: Sämtliche Themen für einen Roman, die mir in den Kopf kamen, erschienen mir schal und nicht interessant genug – zigmal gelesen, von anderen Autoren super verarbeitet oder mit so anspruchsvoller Recherche verknüpft, dass ich es mir nicht zutraute – alles habe ich wieder verworfen. Bis mir eines Tages die Idee kam, die Geschichte einer Liebe zwischen einer älteren Frau und einem jungen Mann zu schreiben. Hierzu konnte ich doch etwas sagen! Da wusste ich doch, wie man sich fühlt in solch einer Konstellation. (Ich bin mit einem dreizehn Jahre jüngeren Mann verheiratet). Aber natürlich gab es auch Zweifel. Schließlich wollte ich keinesfalls eine Autobiografie schreiben. Dennoch: Das Thema setzte sich bei mir durch. Denn die Konstellation ältere Frau und jüngerer Mann erregt nach wie vor Aufmerksamkeit und Stirnrunzeln, vor allem, wenn der Altersunterschied mehr als fünf Jahre beträgt. Der umgekehrte Fall wird in der Regel problemlos akzeptiert, dem älteren Mann sogar häufig attestiert, dass er ein toller Kerl sei, während bei der älteren Frau die seltsamsten Motive vermutet werden. Ein Roman zu diesem Thema war einfach fällig! Im nächsten Beitrag erzähle ich euch, wie es dann wirklich losging.

Der Weg zum eigenen Buch – 1

 

Kapitel 1: Die Anfänge oder warum Lernen immer Sinn macht.

Diesen Sommer wird es passieren: Mein erster Roman wird erscheinen. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass der Weg zum eigenen Buch so lang und steinig ist. Viele Menschen würden gerne ein Buch schreiben und so mag es einige von euch vielleicht interessieren, etwas zum Werdegang (m)eines Romans zu lesen. Ich werde kapitelweise berichten. Heute geht es los mit den Anfängen – wie sich das gehört.?

Schon als kleines Mädchen hatte ich den Traum, ein Buch zu schreiben. Rudimentäre Aufzeichnungen, in eselsohrige Kladden geschrieben, habe ich neulich beim Aufräumen wiedergefunden – zum Glück war niemand dabei – es waren beschämende Versuche. Als Kind habe ich die übliche Mädchenliteratur verschlungen: Trotzkopf, Hanni und Nanni, Pucki unser Mütterchen (Hilfe, was für ein Titel!!!), aber auch Fünf Freunde, nahezu alle Bände von Karl May und andere Abenteuergeschichten. Ich habe gelesen, gelesen, gelesen, aber nach den kläglichen ersten Versuchen das Thema Romanschreiben erst mal ad acta gelegt. Die große Freude am Umgang mit Worten und am Verfassen von Texten ist mir über all die Jahre jedoch geblieben. Und nach dem Ende der Berufstätigkeit lebte der Traum vom eigenen Buch wieder auf, drängender denn je zuvor.

Zum Glück war ich so schlau, zunächst ein Fernstudium Belletristik zu absolvieren. Hatte ich ursprünglich gedacht, nach Germanistikstudium und viel Textarbeit in meinen Berufsjahren bräuchte ich das vielleicht gar nicht, so wurde ich bald eines besseren belehrt – ich habe seeeeehr viel gelernt und schnell begriffen, dass Schreiben nicht gleich Schreiben ist. Und einen Roman zu verfassen es wirklich in sich hat. Aber genau das wollte ich nun! Doch worüber sollte ich schreiben? Kein Thema sprang mich wirklich an. Bei einer Freundin habe ich gejammert: Ich würde ja schreiben, wenn ich nur wüsste, worüber. Danke, Heike, für deine Geduld und die Ermutigung! Bis ich dann eines Tages die zündende Idee hatte. Darüber mehr beim nächsten Mal! (Das nennt man Cliffhanger?)

„Unsere wunderbaren Jahre“, von Peter Prange

1948, Währungsreform in Deutschland. Sechs Freunde aus Altena im Sauerland erhalten ihre vierzig DM „Kopfgeld“. Sie sind jung und voller Aufbruchstimmung. Welche Träume werden sie verwirklichen und welche Hoffnungen werden sich erfüllen? Prange begleitet die sechs Haupt-Akteure von 1948 bis 2016 durch die wechselvolle Geschichte Deutschlands. Er verknüpft die persönlichen Schicksale mit dem Zeitgeschehen: Wiederaufbau, Umgang mit den Verbrechen der Nazi-Zeit, Eintreffen der ersten Gastarbeiter, Bau und Fall der Mauer, Einführung des Euro, …

Der eindeutig interessanteste Lebensweg ist der von Tommy, der sich als intelligenter, smarter Typ vom System der DDR blenden lässt und erst Jahre später das Unrechtsregime als solches erkennt.

Stilistisch, na ja. Die Sprache ist teilweise schlicht und in Ansätzen kitschig. Manche Nebenfiguren sind arg stereotyp angelegt, die meisten Hauptfiguren bleiben eher blass. Ab und an gibt es seeeerhr lange Sätze, bei denen ich mich nach einem Punkt sehnte. Aber: Prange schreibt auch sehr süffig, man kann sich richtig in die Story reinfallen lassen. In kurzen bis sehr kurzen Kapiteln (sehr häufig mit Cliffhanger) springt Prange von Person zu Person; im Fokus stehen die drei Schwestern Ruth, Ulla und Gundel und die Freunde Tommy, Bernd und Benno. Sie alle werden ihr Leben lang auf die eine oder andere Art und Weise miteinander verbunden bleiben. Vieles erinnerte mich an das eigene Erwachsenwerden und den (manchmal mühsamen, meist schönen) Weg durchs Leben. „Unsere wunderbaren Jahre“ ist ein Schmöker mit ein bisschen Geschichte und viel Zeitkolorit, also nette Unterhaltungsliteratur!

„Raumpatrouille“, von Matthias Brandt

Der (völlig zu Recht?) beliebte Schauspieler erzählt aus seiner Kindheit in der damaligen Hauptstadt Bonn. Die prominente Familie lebt in einem „zu großen, weißen Haus, in dem wir alle uns so leicht verpassten.“ Die Hausangestellten und das Sicherheitspersonal sieht Brandt häufiger als seinen Vater Willy. Über ihn schreibt er nicht viel, aber die wenigen Szenen sind anrührend und eindrücklich zugleich. Seine Mutter Rut nimmt etwas mehr Raum ein, da fallen dann so schöne Sätze wie: „Mein Lächeln hätte alles Mögliche bedeuten können, das hatte ich mir bei meiner Mutter abgeguckt.“

Brandt erzählt von seiner kurzen Karriere als Ersatz-Torwart, von einem missglückten Ausflug zur Kirmes, von einer Übernachtung bei seinem Freund, bei der er eine ihm völlig fremde, geordnete und spießige Welt kennenlernt. Die vierzehn Geschichten lesen sich allesamt locker, und sie sind teilweise sehr witzig, aber es schwingt auch oft Trauriges mit, Wehmütiges. Die Übernachtungsstory hat mich sehr berührt. Ich kann das Erzählte gut mit dem erwachsenen Schauspieler in Einklang bringen.

Bei der Lektüre fühlte ich mich oft zurückversetzt in die eigene Kindheit mit ihren vielen Rätseln, intensiven Gefühlen und Geheimnissen. So findet Brandt auf dem Nachttisch seiner Mutter das Simmel-Buch „Niemand ist eine Insel.“ Und fragt sich, für mich nachvollziehbar:„Wenn niemand eine Insel war, wer war dann dieser Niemand?“

Das Büchlein bietet also beides: Erinnerungen an die eigene Kindheit und Eintauchen in das Leben eines kleinen Jungen, dessen Vater zufällig gerade Bundeskanzler ist. Von mir aus hätten es noch viel mehr Geschichten sein können. Und ich werde wohl zukünftig noch lieber Filme mit Matthias Brandt anschauen. ?