„Du sagst es“, von Connie Palmen

Ein gewagtes Buch – gewagt insofern, weil die bekannte niederländische Autorin in die Rolle des berühmten Dichters Ted Hughes schlüpft und seine Version der Amour fou mit der ebenso berühmten Dichterin Sylvia Plath als fiktive Biografie schildert. Plath hat sich 1963 das Leben genommen, fortan wurde sie zur Märtyrerin, zur Ikone der Frauenbewegung, und Hughes wurde als Schuldiger, als Verräter und Mörder beschimpft. Ted Hughes ist 1998 gestorben, er hat sich Zeit seines Lebens nicht gegen die massiven Vorwürfe gewehrt, hat die Hasstiraden von Generationen von Frauen über sich ergehen lassen und hingenommen, dass sein Leben komplett vom Freitod seiner Ehefrau beherrscht war.

Nun verleiht Connie Palmen ihm postum eine eigene Stimme, lässt ihn seine Sicht der Dinge erzählen, lässt ihn tief eintauchen in die Zeit des Kennenlernens, in seine Liebe zu dieser schönen, geistreichen, energiegeladenen jungen Frau, mit der er aber auch durch ihre Panikattacken und Hysterie- und Migräneanfälle geht und deren krankhafte Eifersucht er über sich ergehen lässt. Dieser Eifersucht gibt er dann eines Tages tatsächlich Nahrung …

Obwohl man ja weiß, wie es ausgeht, ist es unglaublich spannend zu lesen, wie sich die Schlinge langsam zuzieht. Zu Beginn habe ich mich mit dem Stil etwas schwergetan, immer wieder gibt es geschraubte Sätze, die ich teilweise auch nach mehrmaligem Lesen (und dem Nachschlagen der Fremdwörter) nur schwer verstanden habe. Und der Stil ist natürlich literarisch. Es geht ja um zwei Dichter, da wird nicht geweint, da sieht er „wie sich ihre Augen langsam mit Tränen füllten, bis sie überflossen und zwei glitzernde Rinnsale eine Spur über die braunen Wangen zogen.“

„In einer Liebe kann man nie nur einem die Schuld geben“ – dieses Zitat von Palmen steht im Klappentext, und es ist der Autorin gelungen, dieser berühmten Beziehung die Objektivität, die sie verdient, zurückzugeben. Gleich im Anschluss habe ich natürlich „Die Glasglocke“ gelesen, Plath’s einzigen (stark autobiografischen) Roman, mit dem sie postum weltweiten Ruhm erlangte, und der als „einer der Klassiker des feministischen Romans“ (Kindlers Neues Literaturlexikon) gilt. Sehr spannend, ich werde berichten …

„Geister“, von Nathan Hill

Auch eine Woche, nachdem ich das Buch ausgelesen habe, bin ich unentschieden, wie ich es für mich bewerten soll. Es hat tolle Passagen, ausgefeilte Formulierungen und eine super Geschichte: Samuel, Mitte Dreißig, Universitätsprofessor, wird gebeten, die Integrität seiner in Schwierigkeiten geratenen Mutter zu bezeugen – diese hat er aber über zwanzig Jahre nicht gesehen, denn sie hat ihn verlassen, als er elf Jahre alt war.

Hills Schreibstil ist sehr ausformuliert, um nicht zu sagen langatmig 😉, aber phasenweise eben auch sensationell gut. Das Kapitel, in dem Samuel den Anruf der Anwaltskanzlei enthält, die ihn um Hilfe für seine angeklagte Mutter bittet, ist einfach nur grandios – traurig, witzig, absurd. In diesen acht Seiten wird das ganze Lebensdrama Samuels offengelegt, und spätestens ab da will man wirklich wissen, wie die Geschichte weitergeht, warum ihn seine Mutter verlassen hat. Ebenso grandios ist das Kapitel über Pwanage – einen Computerspielsüchtigen, der an Wartungstagen, sogenannten Patchdays, an denen er nicht spielen kann, verzweifelt versucht, diese Leere zu überbrücken. Unter anderem einmal mit dem Versuch, sich ab sofort nur noch gesund, nur noch bio zu ernähren, und dabei gnadenlos scheitert. Auch das ist witzig, es bleibt einem aber auch das Lachen im Hals stecken.

Leider gibt es immer wieder Längen (bei dem Umfang von 860 Seiten nicht unerwartet 😉). So spielt auch Samuel besessen „World of Elfscape“ am Computer und ballert Orks weg. Diese Details, ebenso die ausufernde Beschreibung der Studentenbewegung der 68er Jahre in Chicago fand ich ermüdend, ebenso hätte ich auf ein paar schmutzige Sexszenen verzichten können. Ich bin drangeblieben, weil die Geschichte als Ganzes mich interessiert hat, habe aber solche Passagen überflogen. Es ist ein sehr amerikanischer Roman, ein Gesellschaftstroman im großen Stil, (ich musste an Jonathan Franzen oder John Irving denken). Ich bereue es nicht, das Buch gelesen zu haben, aber obwohl es mich stellenweise berührt hat, hat es insgesamt nicht mein Herz erwärmt.