Eine Heldin, die man nie mehr vergisst, eine ungewöhnliche Landschaft, die einen mit ihrer ungeheuren Vielfalt von Lebensformen tief beeindruckt – und ein Kriminalfall, der sich gemächlich entwickelt und dennoch extrem spannend ist. Ein ganz besonderes Buch, ein wunderschönes Leseerlebnis!
Die sechsjährige Kya, die mit ihren Eltern und Geschwistern in einer einfachen Wellblechhütte im Marschland von North Carolina wohnt, wird von ihrer Mutter verlassen – eine erste schlimme Erfahrung in einer Reihe von vielen. Auch die restlichen Familienmitglieder suchen das Weite und Kya ist fortan auf sich selbst gestellt, lebt völlig isoliert, als „Marschmädchen“ argwöhnisch beäugt von den Bewohnern des nächsten Küstenstädtchens. Als sie älter wird, treten zwei Männer in ihr Leben.
Ich bin normalerweise kein Freund von langen Landschaftsbeschreibungen (hat mich schon bei Karl May genervt 😉 ) und das Buch hatte mich zunächst überhaupt nicht gereizt; aber diese Marschlandschaft ist so wunderschön beschrieben, dass sie mehr und mehr bezaubert mit all ihren pflanzlichen und tierischen Lebewesen, die von der Heldin geliebt, geachtet, gepflegt und später sogar dokumentiert werden.
Man merkt, dass die Autorin Wissenschaftlerin ist, immer wieder flicht sie Erläuterungen zu Naturphänomenen ein. Das ist eigentlich ein No Go – dass die Autorin mit ihrer eigenen Stimme zum Leser spricht. Auch gibt es plötzliche Perspektivwechsel, nicht ganz passende Adverbien, eine Anhäufung von Adjektiven – lauter „Fehler“, die ein Autor vermeiden sollte … (die mir wahrscheinlich aufgefallen sind, weil ich mich gerade intensiv mit Schreibtechniken befasst habe 😉 ).
Aber was bedeuten schon Regeln, wenn das große Ganze stimmt … Die Geschichte ist unglaublich gut konstruiert, ohne jemals konstruiert zu wirken. So gibt es einen tollen Plot, eine wunderbare Heldin, eine ungewöhnliche, beeindruckende Szenerie und Detailbeobachtungen, die berühren und nachwirken und für eine wunderschöne, ergreifende Stimmung sorgen. Dies ist eines von den Büchern, bei denen man tieftraurig ist, dass sie zu Ende sind – und nach denen man sich erstmal kein anderes Buch vorstellen kann, dass einen so mit-nimmt – in jeder Bedeutung des Wortes.