Ich hätte stundenlang weiterlesen können in diesem Sachbuch, das sich spannend wie ein guter Roman liest. Lori Gottlieb erzählt aus ihrer Praxis als Psychotherapeutin. Dabei beschreibt sie in ausgewählten Fallstudien ihre Therapiestunden mit vier Menschen: einer lebensmüden Siebzigjährigen, einer krebskranken jungen Frau, einer Frau mit Alkohol- und Männerproblemen und einem Mann, der seine Mitmenschen allesamt für Idioten hält. Gespannt verfolgt man die Entwicklung bei den einzelnen Patienten, wartet ungeduldig darauf, dass die Person wieder zur Therapiestunde kommt, um zu erfahren, wie es bei ihr weitergeht. Die Gespräche und Situationen zwischen Therapeutin und Patient sorgen immer wieder für Gänsehautmomente, berührende Erkenntnisse und Aha-Erlebnisse. Man sitzt quasi mit im Raum, hört zu und fühlt mit.
Gleichzeitig begibt sich die Autorin in einer heftigen persönlichen Krise selbst in Therapie. Es ist sehr spannend zu erleben, wie sie, als Profi, nun ihre Abwehrmechanismen hochfährt und doch von ihrem Therapeuten langsam „geknackt“ wird. Ein Weg, für den es wohl keine Abkürzungen gibt und der harte Arbeit bedeutet. Man merkt, dass die Autorin zuvor als Drehbuchautorin tätig war. Sie weiß spannend und witzig zu erzählen. Es ist also gute Unterhaltung mit hohem Erkenntniswert. „Es ist einfacher, sich durch die Geschichten anderer zu erkennen“, sagt Lori Gottlieb.
Was kann Psychotherapie bewirken und wie arbeiten Therapeuten? Wer sich für die menschliche Psyche interessiert, Therapie spannend findet, aber auch ganz allgemein an menschlichen Problemen und Entwicklungschancen Interesse hat, der ist hier richtig.