Eva Völler, Die Ruhrpottsaga – drei Bände

Wer gerne Schmöker mit historischem Hintergrund liest, hat eine reichhaltige Auswahl. Der Markt wird geradezu überschwemmt mit Sagas – also mit „Erzählungen historischen Inhalts, der nicht bewiesen ist.“ Zwischendurch lese ich solche Geschichten schon mal gerne, denn man erfährt immer auch etwas Neues und kann in die jeweilige Zeit eintauchen. Oft bin ich aber auch enttäuscht, denn viele der Sagas sind doch sehr trivial. Die Ruhrpott-Saga hebt sich positiv heraus. Die typischen Probleme (nicht nur) des Ruhrgebiets in den Sechziger Jahren (Zechensterben, Arbeitskämpfe, berufstätige Frauen in der Männerwelt) und der Alltag der in Essen lebenden Menschen werden sehr detailreich, authentisch und lebendig beschrieben. 

Drei Frauengenerationen bilden den Rahmen der Geschichte. Im ersten Band geht es um Katharina, die mit ihren Töchtern bei Mine, der Mutter ihres nach dem Krieg verschollenen Ehemanns, untergekommen ist. Katharina versucht, sich in Essen ein neues Leben aufzubauen, was nicht ganz einfach ist, denn die Vergangenheit hängt wie ein Schatten über ihr. Im zweiten Band geht es um die ältere Tochter Inge, die, liiert und mit fester Anstellung als Buchhändlerin, auf ein wohlgeordnetes Leben zusteuert – aber dann kommt es doch ganz anders. Bärbel, die jüngste Tochter, kehrt im dritten Band eher unfreiwillig als Ärztin zurück in ihre alte Heimat und trifft dort auf ihre inzwischen verheiratete Jugendliebe. Nicht nur sie, auch die anderen Familienmitgliedern kämpfen mit Problemen.

Wichtig sind nicht so sehr die einzelnen Geschichten (mit teilweise auch etwas unwahrscheinlichen Wendungen) – was den Reiz für mich ausmacht, sind vor allem Szenerie, Lokalcolorit und die Nebenfiguren, die mit unglaublich viel Herz beschrieben sind. Wenn Oma Mine im schönsten Ruhrpottplatt ihre trockenen Ratschläge zum Besten gibt, musste ich jedes Mal schmunzeln: „Wenne schlau bis, schnappse dich den Jung. Besser getz wie später.“ Und Tante Clärchen, ebenfalls ein Unikum, steht ihr in nichts nach und sagt gerne einmal: „Leck mich doch inne Täsch.“ 

Kleine Anmerkung: Ich habe zehn Jahre in Essen gelebt, und die beschriebenen Orte sowie der unverkennbare, herrliche Ruhrgebietsdialekt sind mir ans Herz gewachsen. Das mag mein Urteil beeinflusst haben. 😉

Eine Frage der Chemie, Bonnie Garmus

Ein herrliches Leseerlebnis! Unterhaltsam und witzig, aber auch lehrreich und tiefgründig ist dieses Buch. Über weite Passagen hatte ich ein Dauergrinsen im Gesicht, manchmal habe ich laut gelacht. Dabei war ich anfangs etwas skeptisch – Chemie ist so gar nicht mein Ding. Aber die wunderbare Hauptfigur und die flotte Schreibe der Autorin nahmen mich schnell gefangen. 

Es geht um Elizabeth Zott, eine Frau, die sich nichts sehnlicher wünscht als als Chemikerin anerkannt zu werden, aber in einer biederen Kochshow im Fernsehen landet. Es geht um einen Hund, der Halbsieben heißt, um ein Kind, das mit fünf Jahren fast den gesamten Dickens gelesen hat, ums Rudern im Morgengrauen und natürlich ums Kochen – was wiederum viel mit Chemie zu tun hat, denn Chemie bedeutet Veränderung der Zustände.

Eine kleine Truppe liebenswerter Figuren läuft auf, aber auch eine große Schar ignoranter Menschen (Männer!), die den Frauen in den Sechziger Jahren das Leben schwer machen. Die Geschichte erzählt, wie Elisabeth sich durchs Leben kämpft, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Sie handelt von traurigen, aber auch glücklichen Begebenheiten und Begegnungen – und sie handelt von einer ganz besonderen, einer großen Liebe.

Die Story ist zwischendurch einigermaßen verwickelt, aber man verliert als Leser nie den Überblick. Am Ende fügt sich alles auf geradezu wundersame Weise. Dann legt man dieses Genussbuch traurig beiseite und fragt sich, wann man wohl wieder auf so eine erfrischende Lektüre stoßen wird.