Früher in Rente – die FAZ fragt nach dem Warum, hier kommt eine Antwort

Funk, Fernsehen und Presse berichten in diesen Tagen, dass der Anteil der Frührentner in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist – lag er 2005 bei 41,2 %, so betrug er 2011 schon 48,2 % (Quelle FAZ, 1.2.2013). Die FAZ fragt nach dem Warum. Im Wirtschaftsteil schreibt die Zeitung, dass es „keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Motiven für einen vorzeitigen Ruhestand“ gibt, im Leitartikel zum selben Thema wird behauptet „die Frage (…) ist den Rentnern erstaunlicherweise noch nie gestellt worden.“ Wirklich?

Auch ich habe viel früher als ursprünglich beabsichtigt den Job verlassen, und so drängt es mich, das zu  kommentieren.

Als erstes fällt mir dazu ein, dass just in dieser Woche durch die Medien ging, dass immer mehr Deutsche Stress am Arbeitsplatz haben, jeder zweite klagt darüber! Das ist doch schon mal eine handfeste Erklärung: Immer weniger Menschen sind bereit, diesen ständigen Druck im Job auszuhalten, und immer mehr Menschen merken, dass es noch andere Dinge im Leben gibt als (fremdbestimmt) Arbeiten  – so erfüllend ein Berufsleben auch sein kann.

Ich bin seit drei Jahren im Ruhestand, und jeden Tag aufs neue freue ich mich, dass ich dem aufreibenden Job mit sechzig Jahren Ade gesagt habe. Ich wollte nicht völlig abgenudelt in diese letzte Zeitspanne eintreten, damit mir noch genügend Kraft und Energie bleibt, sie sinnvoll zu nutzen. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit dazu habe – wohl dem, der es sich leisten kann. Was mir seinerzeit bei der Entscheidung geholfen hat:

Auf einem Seminar wurden wir aufgefordert, die uns statistisch verbleibende Lebenszeit in Tagen auszurechnen (Ausgangswert ist die durchschnittliche Lebenserwartung minus aktuelles Lebensalter, die Differenz ist der persönliche Wert), so simpel und so erhellend! Seinerzeit waren es bei mir knapp 8000 Tage. Als ich mir überlegt habe, WIE schnell die Tage, Monate, Jahre verfliegen, habe ich mich erschrocken, und mir wurde erstmals richtig klar, dass meine Zeit endlich ist.

Im FAZ-Artikel gibt es einen erhellenden Satz: „(…) Vielmehr nähmen viele Menschen nach individueller Abwägung von Kosten und Nutzen die Abschläge bewusst in Kauf.“ Wohl wahr! Die Kosten: Geld ist nicht alles, der Nutzen: eindeutig – Druck gegen Freiheit und Selbstbestimmung. Zeit! Gibt es etwas Kostbareres? Ein ganzes Füllhorn von Möglichkeiten eröffnet sich …

WIE man seine Zeit nutzt, das ist aber ein Thema für sich – Rödeln oder Ruhen, das ist die Frage, dazu ein anderes Mal mehr.

2 comments
  1. Liebe Ilsebill, wie wahr Deine Gedanken sind! Es gibt nichts kostbareres als Zeit, über die man frei verfügen kann. Und ich verstehe jeden, der aus der Mühle der Arbeit in der freien Wirtschaft aussteigen möchte. Ich hatte Glück und wurde gezwungen, mich schon mit Mitte 40 neu zu orientieren. Dabei habe ich eine tolle neue Beschäftigung gefunden, die mir neben Geld vor allem Erfüllung gibt und die Möglichkeit, meine Zeit zu einem großen Teil frei einzuteilen.
    Am Rande noch ein Buchtipp (wahrscheinlich ist Dir das Buch schon längst bekannt): Die erschöpfte Gesellschaft, Stephan Grünewald.

    1. Liebe Heike,
      vielen Dank für Deinen Kommentar und den Lesetipp – das erwähnte Buch kenne ich noch nicht.
      Ich finde es ganz toll, dass Du Dich selbständig gemacht hast und damit so glücklich und zufrieden bist.
      Ich wünsche Dir, dass das so bleibt!
      Herzliche Grüße, Ilsebill

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