Vom Ostwind verweht – Urlaub der besonderen Art

Sie sollten den Frühling einläuten, die Erkältungsviren endgültig vertreiben und uns mit viel Sonne ein Lächeln ins Gesicht zaubern – die Tage auf Juist Ende März. Eine Woche Urlaub mit Enkelkind, Tochter und Schwiegersohn auf einer wunderbaren Insel, das hatten wir uns in den schönsten (und wärmsten) Farben ausgemalt. Meine Tochter und ich saßen gedanklich schon im Strandkorb und schauten der kleinen Hannah beim Buddeln im Sand zu, während die Männer Drachen steigen lassen würden, alles ganz entspannt, versteht sich.

Der Urlaub rückte näher, die Erwartungen wurden notgedrungen mittels wetter.de angemessen angepasst  – dachten wir …

Samstag Abend: Eine gute Stunde vor Ankunft am Hafen hörten wir zufällig im Radio, dass aufgrund des starken Ostwinds Fähren ausfielen – man solle sich erkundigen. Interessant, dachte ich, so etwas gibt es? Sind wohl die Ostseehäfen betroffen. Eine leise Irritation blieb und sorgte für den Griff zum i-phone. Auch Juist war auf dem Wasserweg nicht zu erreichen. Vielleicht auf dem Luftweg? Alle Flüge ausgebucht, bis Montag Nachmittag. 800 Passagiere im Fährhafen gestrandet. Was tun? Wir waren so schlau, weit weg von der Küste zu bleiben und so klug, im Internet nach einem familienfreundlichen Hotel zu schauen. Ein Bauernhof mit Jugendherbergscharakter nahm uns Gestrandete auf, Hannah stürzte sich auf ein Schaukelpferd und wir uns auf unsere mitgebrachten Lebensmittel. Dazu sollten wir ebenso am nächsten Tag Gelegenheit bekommen.

Denn auch für Sonntag, auch beim 83. Mal Nachschauen, standen bei den geplanten Abfahrtszeiten der Fähren nur diese, inzwischen wohlbekannten Zeichen im Internet: XXX. Immerhin, die beiden Schiffstermine am Montag waren mit ??? versehen. Ganz früh machten wir uns also am nächsten Morgen auf den Weg – und mit uns Hunderte … Wir hatten Glück, wir erwischten die Fähre, es sollte erst mal die einzige bleiben. Die am späten Nachmittag legte zwar ab, blieb aber im Niedrigwasser stecken, musste umkehren und viele Leute verbrachten die Nacht an Bord, versorgt mit dem Nötigsten vom Roten Kreuz, andere versuchten ihr Glück wieder in den hoffnungslos überfüllten Hotels oder fuhren völlig entnervt endgültig heim.

Montag, 11 Uhr: Geschafft, auf der Insel! Zwar mussten zwischen Fähre und Kutsche erneut Erwartungen korrigiert werden, aber hinter dem Ferienhaus, geschützt von der Düne, da könnte man doch bestimmt … Nix konnte man, der Wind war so stark und so eisig, dass an Draußensitzen nicht zu denken war, und der Aufenthalt am Strand sich auf zweimal fünf Minuten beschränkte. Eine zierliche Zweijährige durfte man nicht von der Hand lassen – wollte man es sie nicht dem fliegenden Robert gleichtun lassen. Tja, viel haben wir von der Insel nicht gesehen.

Es war trotzdem eine schöne Woche, das Enkelkind war der Sonnenschein, das Miteinander war unkompliziert, das bisschen frische Luft hat gut getan. Ich liebe kleine Mitbringsel, die mich dann später an diesen Urlaub erinnern – es kam nicht dazu – das einzige, was ich mir mitgebracht habe, war eine neue, heftige Erkältung. Vergessen werde ich diesen Urlaub bestimmt nicht!

Früher in Rente – die FAZ fragt nach dem Warum, hier kommt eine Antwort

Funk, Fernsehen und Presse berichten in diesen Tagen, dass der Anteil der Frührentner in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist – lag er 2005 bei 41,2 %, so betrug er 2011 schon 48,2 % (Quelle FAZ, 1.2.2013). Die FAZ fragt nach dem Warum. Im Wirtschaftsteil schreibt die Zeitung, dass es „keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Motiven für einen vorzeitigen Ruhestand“ gibt, im Leitartikel zum selben Thema wird behauptet „die Frage (…) ist den Rentnern erstaunlicherweise noch nie gestellt worden.“ Wirklich?

Auch ich habe viel früher als ursprünglich beabsichtigt den Job verlassen, und so drängt es mich, das zu  kommentieren.

Als erstes fällt mir dazu ein, dass just in dieser Woche durch die Medien ging, dass immer mehr Deutsche Stress am Arbeitsplatz haben, jeder zweite klagt darüber! Das ist doch schon mal eine handfeste Erklärung: Immer weniger Menschen sind bereit, diesen ständigen Druck im Job auszuhalten, und immer mehr Menschen merken, dass es noch andere Dinge im Leben gibt als (fremdbestimmt) Arbeiten  – so erfüllend ein Berufsleben auch sein kann.

Ich bin seit drei Jahren im Ruhestand, und jeden Tag aufs neue freue ich mich, dass ich dem aufreibenden Job mit sechzig Jahren Ade gesagt habe. Ich wollte nicht völlig abgenudelt in diese letzte Zeitspanne eintreten, damit mir noch genügend Kraft und Energie bleibt, sie sinnvoll zu nutzen. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit dazu habe – wohl dem, der es sich leisten kann. Was mir seinerzeit bei der Entscheidung geholfen hat:

Auf einem Seminar wurden wir aufgefordert, die uns statistisch verbleibende Lebenszeit in Tagen auszurechnen (Ausgangswert ist die durchschnittliche Lebenserwartung minus aktuelles Lebensalter, die Differenz ist der persönliche Wert), so simpel und so erhellend! Seinerzeit waren es bei mir knapp 8000 Tage. Als ich mir überlegt habe, WIE schnell die Tage, Monate, Jahre verfliegen, habe ich mich erschrocken, und mir wurde erstmals richtig klar, dass meine Zeit endlich ist.

Im FAZ-Artikel gibt es einen erhellenden Satz: „(…) Vielmehr nähmen viele Menschen nach individueller Abwägung von Kosten und Nutzen die Abschläge bewusst in Kauf.“ Wohl wahr! Die Kosten: Geld ist nicht alles, der Nutzen: eindeutig – Druck gegen Freiheit und Selbstbestimmung. Zeit! Gibt es etwas Kostbareres? Ein ganzes Füllhorn von Möglichkeiten eröffnet sich …

WIE man seine Zeit nutzt, das ist aber ein Thema für sich – Rödeln oder Ruhen, das ist die Frage, dazu ein anderes Mal mehr.

Der erste Termin mit Enkelkind – Himmel, hilf!

Als ich das erste Mal beauftragt werde, mit der vierzehn Monate alten Enkelin zum Babyturnen zu gehen, ist zum Glück Sommer. Das macht das komplizierte Anziehen um einiges leichter, erspart mir aber nicht, die sperrigen Kinderfüßchen in die winzigen Schühchen zu zwängen, die ersten Schweißperlen bilden sich. Zum Glück ist nur eine Treppe zu bewältigen, mit Kind auf dem einen Arm und Wickeltasche am anderen (was um Himmelswillen ist denn da alles drin, wir wollen doch nicht verreisen?), dann stehen wir vor dem Kinderwagen im Flur. Was hatte meine Tochter noch gesagt, setzt sie Hannah in den Wagen und ruckelt dann Kind und Karosse die Treppenstufen vor der Haustür herunter, oder stellt sie das Kind auf die Erde, hofft, dass es sich nicht von der Stelle rührt, und schafft dann erst den Kinderwagen auf die Straße?

Ich entscheide mich für die erste Variante, nicht zuletzt deshalb, weil ich mich im Hausflur unbeobachtet fühle. Die Wickeltasche hat Wackerstein-Dimensionen, sie verfügt aber angeblich über ganz einfache Klickverschlüsse, mit der sie wie von Zauberhand am Kinderwagen landen soll, leider nicht bei mir. „Innen, Mama, nur innen befestigen“, klingt mir noch im Ohr. Innen? Hannah sitzt inzwischen mit großen Augen im Kinderwagen und verfolgt aufmerksam mein Tun. Auch sie muss ja noch festgeschnallt werden, hektisch sortiere ich Gurte, prüfe und verwerfe Möglichkeiten, murmele beschwörende Worte vor mich hin, um sie und mich zu beruhigen. Dann nehme ich einen neuen Anlauf für die Wickeltasche, irgendwie schaffe ich es, das mit Gläschen, Keksen, Müsliriegeln, Saftfläschchen, Windeln, Schnuller und Schmusetuch bestückte Ding am Kinderwagen fest zu bekommen. Leider hat Hannah dabei einen Zipfel des für kritische Situationen reservierten Tuchs erhascht und verlangt vehement danach. Ich gebe es ihr, auch wenn ich voraussehen kann, dass es Bekanntschaft mit dem Boden machen wird. Puh, jetzt das mit Baby und Ballast bestückte Gefährt irgendwie aus der schwergängigen Haustür bekommen und die Stufen runterpoltern. Uff, ein Blick auf die Uhr zeigt, wir könnten es noch rechtzeitig schaffen.

Frohgemut schreite ich aus, etwas beschämt ob meiner Ungeschicklichkeit, aber auch beglückt ob unserer ersten gemeinsamen Ausfahrt mit gewichtigem Ziel. Doch was ist das, es tröpfelt, nein, es tropft, es regnet. Ohne das verhasste Regenzeug werden wir es nie und nimmer trocken bis zur Turnhalle schaffen. Musste der Himmel just jetzt seine Schleusen öffnen? Ich krame die Schutzfolie unter dem Wagen hervor und begegne Hannahs Blick, wir halten stumme Zwiesprache. Als wüsste sie um die bis zum äußersten gespannten Nerven ihrer Großmutter, lässt sie es über sich ergehen. Gutes Kind! Und wir schaffen es pünktlich: Enkelin trocken und fröhlich, Oma fix und fertig.

Von Pins, Passwörtern und Coupons

„Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzelnen Tages sinnvoll zu ordnen, ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.“                                   Johann Wolfgang von Goethe

Er war klug, der Herr Geheimrat. Und recht hat er. Dabei waren ihm so einige heutige Nöte doch fremd. Ich denke da zum Beispiel an die ganzen Pins, Codes und Passwörter, die es sinnvoll zu organisieren gilt. Hat man sich ein Passwort – sprich Buchstabenansammlung nebst Ziffern und Zeichen – ausgedacht, soll man alles Schriftliche vernichten und sich das Konstrukt einfach merken. Kein Problem, wenn es sich um zwei oder drei Passwörter handeln würde! Und die Pins mit ihrer unseligen Aneinanderreihung sinnloser Zahlen – wem gelingt das schon, diese in einer Ecke des Gehirns auf Zugriff zu lagern? Also heißt es, sich so zu organisieren, dass die Daten keinem Unbefugten in die Hände fallen, man selber aber sie im Fall der Fälle auch wiederfindet. Alles andere als ein Kinderspiel …

Coupons treten neuerdings meist in Rudeln auf. Da trudelt dann gleich ein ganzer Bogen mit diesen leidigen Dingern ein, die die tollsten Schnäppchen versprechen, weshalb man es natürlich nicht fertig bringt, sie im Papierkorb zu versenken. Also verstaut man sie irgendwo – im Portemonnaie ist ja kein Platz, da sind die ganzen Kundenkarten drin – und hofft, sie im Fall der Fälle dabeizuhaben. Legt man dann stolz den richtigen Coupon für den richtigen Artikel mit der richtigen Kundenkarte vor, zum Bezahlen gerüstet mit der richtigen Geheimnummer, dann wird man freundlich darauf hingewiesen, dass das Datum für diese Aktion verstrichen sei. Steht doch schließlich drauf, ganz klein, ganz unten. Ich habe bisher noch keine überzeugende Lösung gefunden, weder, wie ich mit den Coupons umgehen soll, noch wie ich meine Zugangsdaten organisiere. Hat jemand eine Idee?