„Das achte Leben“, von Nino Haratischwili

Was für ein Werk! Phänomenal, phantastisch, ganz besonders! Es übt einen unwiderstehlichen Sog aus. Je weiter man vordringt, desto intensiver, desto spannender, desto unglaublicher, desto erschütternder wird es. Erzählt wird die Geschichte der georgischen Familie Jaschi über sechs Generationen. „Das achte Leben“ ist aber noch viel mehr als eine Familiengeschichte – es ist ein großer historischer Roman, denn die Geschichte dieser Familie ist auch die Geschichte des europäischen Jahrhunderts, vornehmlich Georgiens und des Ostblocks. Die Zeitbezüge machen es also zusätzlich informativ und spannend. Acht Leben werden ausgebreitet. Acht Leben, die eingebettet werden in das Gesamtwerk wie die Fäden in einen Teppich, jedes hat es wirklich in sich, jedes einzelne ist durch bewegende Ereignisse geprägt. Jede Figur ist mit allergrößter Sorgfalt und Intensität gestaltet, es sind alles ganz besondere Persönlichkeiten mit teilweise abstrusen Gewohnheiten und Charakterzügen. Die Zahl Acht im Titel weist darauf hin, dass alle Ereignisse miteinander verbunden sind. Derer gibt es auf 1300 Seiten nicht gerade wenige … Aber immer wieder streut die Erzählerin ihre Betrachtungen über die Zusammenhänge ein, so dass man als Leser die Orientierung behält. Zigmal habe ich aber auch den in der hinteren Klappe abgebildeten, äußerst hilfreichen Stammbaum der Familie Jaschi nachgeschlagen und mir die Verwandtschaftsverhältnisse vor Augen geführt. 

Das Buch ist süffig geschrieben, immer wieder baut die Autorin Cliffhanger ein. So kostet zum Beispiel immer wieder ein Familienmitglied von dem unglaublichen, nach einem Geheimrezept zubereiteten heißen Schokoladen-Trunk, und jedes Mal fragt man sich, ist es wirklich wahr, liegt tatsächlich ein Fluch auf der Schokolade?

Manchmal ist es mir im Ablauf der irren Ereignisse ein Zufall zu viel oder ein bisschen zu dick aufgetragen, aber es vermag den Gesamteindruck nicht zu trüben. Empfohlen wurde es mir vor geraumer Zeit, aber bisher hatten mich die knapp 1300 Seiten zögern lassen. Nun habe ich es geschenkt bekommen und verschlungen. Das Ende ist einfach wunderbar – alles fügt sich zusammen, und es gelingt der Autorin mit einem Kunstgriff, den Leser weiterdenken zu lassen, sie ermuntert ihn, die Geschichte im Kopf weiterzuschreiben, weiter am Teppich zu weben. Zeit nehmen und eintauchen!