„Die Geschichte eines neuen Namens“, von Elena Ferrante

Höchst unterhaltsam, hoch spannend und gleichzeitig anspruchsvolle Literatur: Einfach fantastisch, die vierbändige Neapolitanische Saga um zwei italienische Frauen. Etwas zögernd hatte ich mir den 2. Band vorgenommen. Bin ich vielleicht beim 1. Buch nur dem wahnsinnigen Hype aufgesessen? Nein, bin ich nicht. Wird die Autorin die Spannung halten können? Sie kann. Passiert genug, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen? Es passiert genug. Geradezu atemlos habe ich die Geschichte von Lenù und Lila weiterverfolgt. Lila ist inzwischen verheiratet und lebt weiter im Rione – ihr Leben ist mindestens so bewegt wie das von Lenù, die im 2. Band in Pisa zu studieren beginnt. Dort trifft sie die bittere Erkenntnis, dass alle ihre Lernanstrengungen niemals ausreichen werden, um ihre (in jeglicher Hinsicht) ärmliche Herkunft komplett hinter sich zu lassen. Sie spürt, wie anders ihre Studienkollegen aufgewachsen sind, wie sie Wissen von klein auf aufgesogen haben, sich geübt haben in Tischgesprächen mit ihren Eltern, ihre Bildung systematisch immer weiter ausgebaut haben. „Erfolg allein genügte nicht, man brauchte noch etwas anderes, und das hatte ich nicht, ich konnte es auch nicht lernen.“

Sehr eindringlich und mit wunderbaren Worten beschreibt die Autorin Lenùs fortwährenden Kampf mit Minderwertigkeitsgefühlen und Ängsten. Wie sie überhaupt sprachlich großartig, dicht und mitreißend schreibt, egal ob es um die Gefühle der beiden Protagonistinnen geht oder um die Verhältnisse im Italien der 50er Jahre. Und ohne zu viel vom Inhalt zu verraten: Lila, die durch ihre Heirat den ärmlichen Verhältnissen, in denen sie aufgewachsen ist, zunächst zu entkommen scheint, hat es auch nicht leicht …

Etwas schwer tue ich mich mit der Behauptung, das Buch sei „Das beste Portrait einer Frauenfreundschaft in der modernen Literatur.“ (The New York Times). Der Umgang der beiden Frauen miteinander sprengt für mich so manches Mal die Grenzen einer Freundschaft. Aber das mag auch den rauen Sitten im Neapel der 50iger Jahre und speziell im Viertel Rione geschuldet sein. Wir sind heutzutage vielleicht einfach „weichgespülter“? Immerhin scheinen die beiden Frauen durch ein unsichtbares Band aneinander gebunden, fast gekettet. Aber diese Frage – sind es wirklich Freundinnen, und ist das Thema der Saga diese Frauenfreundschaft – fände ich spannend zu diskutieren und ich würde mich freuen, wenn die eine oder der andere hierzu mal ein Feedback gibt!

 

 

Meine geniale Freundin, von Elena Ferrante

„Was für ein Werk!“, schreibt der Spiegel, „Ein epochales literaturgeschichtliches Ereignis“ die Zeit, „Alle Welt liest Elena Ferrante!“ die FAZ. Was für ein faszinierendes Buch – sage ich!

Der Roman beschreibt die Freundschaft zweier Mädchen, die in Neapel, in einem ärmlichen Viertel aufwachsen. Es passiert gar nichts Weltbewegendes in diesem Buch, aber das Erzählte umfasst gleichsam die ganze Welt. Es geht um Freundschaft, Zusammenhalt und Loyalität, aber auch um Hass, Missgunst, Gewalt, Rache und Vergeltung. Und wie ein roter Faden zieht sich das Thema Bildung mit all seinen Facetten durch das Buch. Der Erzählerin Elena, genannt Lenù, steht der Weg zum Wissen offen, ihrer genialen Freundin Raffaella, genannt Lila, wird er verwehrt. Sie landet im Schusterbetrieb ihrer Familie – doch auch dort zeigt sich, über welch ungewöhnliche Gaben dieses Mädchen verfügt.

Man taucht tief ein in die neapolitanische Szenerie der 50er und 60er Jahre und fiebert mit den beiden Mädchen mit, wie sie ihren Weg machen, wie sie in Hassliebe verbunden sind, und wie sie sich mit ihrer Umwelt auseinandersetzen als heranwachsende junge Frauen in einer von Männern geprägten Welt.

Die Geschichte endet mit einem Cliffhanger, man will unbedingt wissen, wie es mit den beiden Mädchen, die sich gegenseitig als „genial“ bezeichnen, weitergeht. Das Ferrante-Fieber hat auch mich gepackt! Ich werde mir also demnächst den zweiten Teil der vierteiligen Saga besorgen. Aber Achtung: Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich wirklich „drin“ war, und ich kenne inzwischen einige Menschen, denen das Buch überhaupt nicht gefallen hat.