„Unser allerbestes Jahr“, von David Gilmour

„Jeder, der Eltern oder Kind ist oder jemals im Kino war, wird dieses Buch lieben“, schreibt Newsweek zu diesem autobiografischen Roman. Also ein Lieblingsbuch für jeden? So weit würde ich nicht gehen. Aber wer ein Faible fürs Kino hat und/oder die Nöte kennt, die ein die Schule verweigernder Jugendlicher seinen Eltern bereitet, wird großen Gefallen an dieser Geschichte finden. Der Autor erzählt, wie er mit der Schulkrise seines Sohns Jesse umgegangen ist. Die Lage ist ernst, denn Jesse hasst die Schule und die völlige Ablehnung ist nur noch eine Frage der Zeit. Der Vater schlägt seinem Sohn einen ungewöhnlichen Handel vor: Keine Schule mehr und kein Zwang, Geld zu verdienen, Kost und Logis zuhause sind frei unter einer Bedingung: Jesse muss mit seinem Vater zusammen drei Filme in der Woche anschauen, daheim. Nach ungläubigem Staunen willigt der Sohn ein.

Vater und Sohn beginnen mit ihrem Filmprogramm: Als Einstieg schauen sie Sie küssten und sie schlugen ihn, ein autobiografischer Blick auf Truffauts schwierige Jugend als Schulverweigerer. Es geht weiter mit Klassikern wie Basic InstinctCitizen Kane, Giganten, mit vielen Hitchcock-Werken wie BerüchtigtDie Vögel und Psycho. Immer wieder macht der Vater den Sohn auf besondere Szenen, berühmte Dialoge und auf Eigenheiten der Regisseure  und filmische Tricks aufmerksam. Ich kannte längst nicht alle Filme, aber bei denen, die ich gesehen habe, fand ich diese zusätzlichen Informationen sehr aufschlussreich und spannend. Und bei den mir unbekannten Filmen bekam ich Lust, sie mir anzusehen.

Aber das Filmprogramm ist nur der eine Teil der Geschichte. Der Vater erzählt von wunderbaren Stunden mit seinem Sohn, aber auch von seinen immer wieder kehrenden Zweifeln, ob es das Richtige ist, was er da tut. „Aber was ist, wenn sich nichts tut, wenn ich ihn in einen Brunnen geworfen habe, von dem es keinen Ausweg gibt (…) ?“ „Was ist, wenn ich mich irre? Was ist, wenn ich auf Kosten meines Sohnes cool bin und ihm erlaube, sein Leben zu ruinieren?“ Hinzu kommt: Jesse erlebt seine ersten Herz-Schmerz-Liebesgeschichten, und auch das ist für den Vater ein großer Balance-Akt. Wann reden, wann einfach nur die Klappe halten und zuhören? Und auch der Vater hat zu kämpfen, weil er sich in einer sehr schwierigen Jobsituation befindet. (Allerdings verschafft ihm das auch die Zeit für das Filmprojekt.) Wir begleiten Vater und Sohn durch dieses Jahr und lieben und leiden mit beiden – und treffen uns immer wieder mit ihnen auf der heimischen Kino-Couch. Gute Unterhaltung mit viel Inspiration zum Filme gucken und Stoff zum Nachdenken über die schwierigen Zeiten in der Eltern-Kind-Beziehung.