England in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts: Der Butler Stevens widmet sein Leben mit absoluter Hingabe bis zur Selbstverleugnung seinem Dienstherrn Lord Darlington. Seinen eigenen Stand und Hierarchien stellt der Butler niemals in Frage. Oberflächlich betrachtet geschieht wenig, der Butler reflektiert auf einer mehrtägigen Reise sein Leben. Ein Buch, bei dem es gut ist, viel am Stück zu lesen, damit man in den Rausch dieser Sprache gerät. Die Sätze sind lang und oft etwas umständlich, sie spiegeln perfekt die britische Aristokratie jener Zeit wieder. Die komplette Szenerie am Schauplatz Darlington Hall ist korrekt, steif und ehrwürdig.
Es geht über weite Strecken um Stevens Selbstverständnis als Butler. Was ist seiner Meinung nach ein großer Butler, und wo sieht er sich selber? Sein Arbeitsplatz ist in einem der großen Häuser, das verbucht er auf der Haben-Seite, denn: „Für uns (Butler) also war die Welt ein Rad, dessen Nabe die großen Häuser waren“. Er selber ist bei einem Dienstherrn, „der alles verkörpert, was ich edel und bewundernswert finde.“ Dennoch taucht die Frage auf, muss ich eigentlich mit den Werten meines Arbeitgebers zu Hundert Prozent einverstanden sein, um gute Arbeit zu leisten? Eine Frage, die zunehmend an Bedeutung gewinnt …
Dann ist da noch Stevens’ Beziehung zu Miss Kenton, der Haushälterin auf Darlington Hall – mehr als eine Arbeitsbeziehung? Das Buch ist ein (faszinierendes) Paradebeispiel für fehlende bzw. misslungene Kommunikation. Der Austausch zwischen Butler und Haushälterin besteht aus einer Abfolge verklausulierter Wortwechsel und unterdrückter Gefühle. Manchmal möchte man den Butler schütteln, wenn er rückblickend sinniert: „Gewiss deutete doch damals nichts darauf hin, dass solch offenkundig geringfügige Zwischenfälle ganze Träume für immer unerfüllbar machen würden.“ Als es auf das Wiedersehen mit Miss Kenton zusteuert, wechselt der Erzähler Stevens vom „ich“ zum „man“ und drückt damit so viel aus!
Wer England in sein Herz geschlossen hat, ein Faible für Downton Abbey hat und diese Sprache mag, wird das Buch sehr genießen. Ungefähr nach der Hälfte der Lektüre des Buches habe ich den Film gesehen – und ist es sonst so, dass ich entweder das eine oder das andere deutlich besser finde, so könnte ich ausnahmsweise einmal nicht sagen, dass mir eins von beiden besser gefallen hätte. Die beiden Medien haben sich auf kongeniale Weise ergänzt. Beides ist meisterhaft!