Was für ein Leben! Else Schrobsdorff, im ausgehenden 19. Jahrhundert als Tochter jüdischer Eltern geboren, lässt es in den Goldenen Zwanzigern so richtig krachen: Theater, Konzerte, Partys, wilde Wochenenden, Liebesgeschichten und Leidenschaften. Jahre ohne finanzielle Sorgen, immer einen (Ehe-)Mann an der Seite und drei Kinder, die Else zwar innig liebt, aber für die sie wenig Geduld aufbringt und die häufig von Hausangestellten oder Großeltern betreut werden. Dann in den dreißiger Jahren das langsame Zuziehen der Schlinge, das von ihr, als Jüdin, die mit einem deutschen Mann verheiratet ist, zu Beginn nicht recht ernst genommen wird.
Das Buch beschreibt zwei Lebensabschnitte, die unterschiedlicher nicht sein könnten: im ersten Teil das fast dekadente Leben, im zweiten Teil die Schrecken und Entbehrungen der Kriegsjahre als verfolgte Jüdin mit halbjüdischen Kindern. In einem dritten Teil finden sich Elses Briefe an Freunde, in denen man noch mal sehr viel über den Menschen Else Schrobsdorff und die Nachkriegszeit erfährt. Dieser Teil hat mich besonders berührt, weil er so deutlich macht, dass mit dem herbeigesehnten Kriegsende noch längst nicht alle Schrecken ausgestanden waren und sehr bittere Jahre folgten.
Die Autorin setzt das Bild ihrer Mutter aus vielen einzelnen Puzzlesteinen zusammen: Fotoalben, Briefe, eigene Erinnerungen und die von Freunden. Das Zitat „Du bist nicht so wie andre Mütter“ stammt aus einem Gedicht ihres Bruders, das er für die Mutter verfasst hat. Eine gut geschriebene Biografie über ein interessantes und ungewöhnliches Frauenleben – bewegend, berührend, eindrucksvoll – empfehlenswerte Lektüre!
Liebe Ilsebill, heute ist es angekommen, das Buch, das ich auf deine Empfehlung hin ( für 0,01 €) gekauft habe. Nachdem ich jetzt viel über die Zeit von Mao und danach gelesen habe, dachte ich, jetzt ist mal wieder etwas aus unserer eigenen Vergangenheit dran. Köstlich ist ja schon der Anfang, mit dem Tip die Taschentücher an die Badezimmerfliesen zu pappen, um sie so nicht bügeln zu müssen. Da bedaure ich doch, dass wir heute nur noch mit Tempo unterwegs sind.
Also, herzlichen Dank für die Buchempfehlung.
Ich hoffe Dir geht es gut und vielleicht klappt ja noch mal ein Treffen.
Liebe Grüße
Klaudia
Jetzt habe ich die letzte Seite zugeklappt. Das war wirklich ein lesenswertes Buch. Diese Else ist schon eine besondere Frau gewesen, die mit jeder Faser in alles eintaucht. In die Liebe, das Leben, den Schmerz und die Selbsterkenntnis. Nie schwebt sie über den Dingen und guckt aus der Distanz. Immer ist sie ganz ehrlich und nah dran. Das hat mir sehr gefallen.
Aus dieser Perspektive die Geschichte zu sehen, fand ich wirklich gut.
Dank für den Tipp.
Falls du es nicht kennst, sind „Die wilden Schwäne“ auch spannend. Da beschreibt eine Frau die Geschichte ihrer Großmutter, Mutter und ihre eigene in etwa zu selben Zeit in China.