„Brehm 46“, von Ulrike Reinker

Die „Brehm“, das ist eine viel befahrene, vierspurige Straße in Düsseldorf, die sich durch Abwesenheit von (klassischer) Schönheit auszeichnet. Mittendrin steht das fünfstöckige Mietshaus mit der Hausnummer 46, in dem Reinker ihren Roman ansiedelt. Die Bezeichnung „Roman“ ist etwas irreführend, es ist eine Abfolge von Erzählungen einzelner Bewohner. Das gemeinsame Treppenhaus in der Brehm 46 und ein paar Querverbindungen sorgen für ein wenig Zusammenhalt.
Reinker lässt uns hinter die Fassade sehen, indem sie in die Rolle des jeweiligen Protagonisten tief eintaucht und in Ichform erzählt. Da enthüllt eine kontrollwütige, schrullige Rentnerin, die ihre Schwester drangsaliert, peu à peu und äußerst widerwillig ihre Lebensgeschichte, ein schwuler Moslem, der von seiner Familie terrorisiert wird, lässt uns mitleiden, wir bangen mit einer jungen Frau, die ungewollt schwanger wird und einer anderen, die nur zu gerne schwanger werden würde – kurzum, es gibt nichts, was es nicht gibt. Allesamt sind es schillernde, schrullige, stark gezeichnete Charaktere, die einem im Laufe der Erzählungen immer sympathischer werden. Dieser Aspekt hat mir sehr gut gefallen. Denn: Wie oft sehen wir Menschen und fällen vorschnell ein Urteil, oder stecken sie in eine Schublade. Wenn wir die Chance bekommen, sie näher kennenzulernen, etwas über ihre Geschichte erfahren, über ihre Sorgen, Ängste und Nöte, dann wächst die Sympathiekurve wie von selbst. Genau das passiert hier; Ulrike Reinker öffnet die Türen für uns, sorgt für Einblick und Verständnis, das ist ihr gut gelungen.

Die Sprache ist den einzelnen Personen angepasst, vieles ist sehr locker, sehr schnodderig, flapsig geschrieben, das ist mir persönlich manchmal ein Hauch zu viel. Wunderbar treffend die Ausdrucksweise der „Sozialfuzzis“ und „übriggebliebenen 68er“ Jutta und Bernd: „Du, wir finden dass du jetzt echt soweit bist (…), wir wollen jetzt auch mal wieder unsere Beziehung leben, das ist ganz wichtig.“ (…) „Gut, dass du es ansprichst. Wir haben das wirklich viel zu lange gemacht. Da haben wir unser Erziehungsziel nicht erreicht.“
Fazit: Ein kurzweiliges, leicht weg zu lesendes Buch, das durchaus auch Gedankenanstöße gibt.

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