„Alles worauf wir hofften“, von Louisa Young

Äußerst eindringlich beschreibt der Roman (der Originaltitel The Heroes’ Welcome ist viiiel besser!) die äußeren und inneren Verletzungen von Kriegsheimkehrern. Und was ihre Rückkehr von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs für ihre Umwelt bedeutet, die sich völlig hilflos mit völlig veränderten Männern konfrontiert sieht. Das kollektive Aufatmen – der Krieg ist vorüber, lasst uns nach vorne schauen – wird durch die beiden Kriegsveteranen (gerade mal in ihren Dreißigern) empfindlich gestört.

„Sie müssen nur einen Roman über den Ersten Weltkrieg lesen, nämlich diesen,“ rezensiert The Times. Und in der Tat, die Geschichte der beiden Paare hat mich sehr in den Bann gezogen, bewegt und diese (oft vernachlässigte) Seite des Kriegs intensiv  betrachten lassen. Da sind Nadine und Riley, dessen Gesicht mühsam wieder zusammengeflickt wurde und der kaum sprechen und essen kann und das Mitleid, das ihm allerorten entgegenschlägt, nicht erträgt. Und die (einst) wunderschöne Julia und Peter, der völlig verbittert ist und den seine Erlebnisse auf dem Schlachtfeld bis in seine Träume begleiten – wenn sie ihn überhaupt schlafen lassen. Und der es kaum schafft, mit seiner Frau zu kommunizieren, ohne verletzend zu sein:

„Er blickte zu ihr (…) und sah, dass sie, wie nicht anders zu erwarten, diese überraschend freundlichen Worte ernst nahm und sie mit gewaltiger Bedeutung auflud. Oh Gott. Sie brach in Tränen aus. Sag etwas. Aber nicht ’Verpiss dich’. Sag das nicht.“

Werden die beiden Männer es schaffen, wieder Fuß zu fassen? Werden die Beziehungen zu ihren Frauen diesen immensen Spannungen standhalten? Wie kann man überhaupt weiterleben im Angesicht all der grauenvollen Erinnerungen und des unvorstellbaren Leids? Wie gehen die Frauen mit ihren immer wieder aufs Neue enttäuschten Hoffnungen um? Sehr lesenswert!

„Die Sommer die wir hatten“, von Louisa Young

Mit großer Freude habe ich entdeckt, dass die Geschichte der beiden Kriegsveteranen Riley und Peter weitergeht (Band 1: Eins wollt ich dir noch sagen, Band 2: Alles worauf wir hofften). Die aktuelle Fortsetzung beginnt 1928; Peters Kinder Tom und Kitty wachsen bei Nadine und Riley auf, weil Peter sich nicht in der Lage sieht, sie alleine großzuziehen. Nadine verbringt mit den Kindern mehrere wunderbare Sommer bei jüdischen Verwandten in Rom. Doch dann sieht sie mit zunehmender Beklemmung, wie ihr Vetter Naldo, überzeugter Faschist, Mussolini geradezu fanatisch verehrt. Der heranwachsende Tom braucht eine Weile, bis er die politischen Zusammenhänge begreift, aber dann gilt seine größte Sorge Naldos Tochter Nenna, die für ihn inzwischen mehr als eine Kindheitsfreundin ist … Naldo in seiner Verblendung will nicht begreifen, in welcher Gefahr seine jüdische Familie schwebt. Und Nenna steht zwischen allen Fronten …

Die Eltern-Generation, Nadine, Riley und Peter, die sich sehr mühsam von den inneren und äußeren Verletzungen des 1. Weltkriegs erholt hat, sieht sich erneut konfrontiert mit Krieg und fürchtet um das Leben ihrer Kinder.„Ich finde, es war nett vom Schicksal, dass es uns diese glücklichen Jahre geschenkt hat, bevor es das Licht wieder ausgemacht und den Vorhang zugezogen hat.“ Die drei erleben zwei Weltkriege in der Blüte ihrer Jahre. Und, nicht anders als alle anderen, kämpfen sie ja auch mit ihren ureigenen persönlichen Problemen. „Wir kämpfen alle unsere eigenen Schlachten neben dieser großen. Wie groß wird sie wohl?“

Young erzählt eindringlich und nachvollziehbar, wie Menschen in eine Verblendung hineinrutschen und nicht mehr herausfinden. „Aber wenn du nur eine einzige Lichtquelle gelten lässt und alle anderen ausschaltest – Geschichte, Bildung, die Erfahrungen anderer Menschen, Wissenschaft – , dann wird aus deinem Hell und Dunkel Schwarz und Weiß. Das tun die Menschen in unruhigen Zeiten. Sie glauben, jemand, der klar und stark ist, würde sie retten, und sie bräuchten keine Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.“ Young bettet auf unnachahmliche Weise Spannungen und Gefühle innerhalb der verschiedenen Familien in große Geschichte ein. Ich hoffe, sie setzt das fort.

„Eins wollt ich dir noch sagen“, von Louisa Young

Dies ist der Vorläufer zum von mir bereits besprochenen Roman: „Alles worauf wir hofften“, von Louisa Young. Ich wusste nicht, dass es diese Vorgeschichte gibt und habe die Bücher somit in der falschen Reihenfolge gelesen, aber das macht nichts! Im Roman „Eins wollt ich dir noch sagen“ erfährt man, wie die beiden Protagonisten Nadine und Riley sich als Kinder in London durch einen Zufall kennenlernen und wie sie sich langsam annähern, trotz ihrer so unterschiedlichen Herkunft. Er ist ein Arbeiterkind, sie eine Tochter aus gutem Hause. Eine Verbindung wäre – wir schreiben das Jahr 1917 – nicht standesgemäß. Dementsprechend hintertreibt Nadines Mutter die aufkommenden zarten Bande. Riley resigniert und meldet sich freiwillig für den Krieg.

Das Kriegsgeschehen wird in drastischen Worten geschildert. An der Front nur Purefoy genannt, ist Riley einer unter vielen, die unter entsetzlichen Umständen in Frankreich kämpfen. Durch einen Briefwechsel bleiben er und Nadine verbunden.

Auch die Geschichte des zweiten Paares, Julia und Peter Locke, wird in diesem „Vorläufer-Buch“ grob angerissen. Langsam wird eine Verknüpfung der beiden Paare aufgebaut: Locke ist im Krieg der Vorgesetzte von Riley und seine Kusine Rose pflegt Riley, als er schwer verwundet aus dem Krieg kommt. Riley mag sich niemandem mehr zumuten, schon gar nicht Nadine. Peter ist traumatisiert und flüchtet sich in den Alkohol. Beide Frauen kämpfen auf ihre ganz eigene, absolut unterschiedliche Art, um ihre Liebe bzw. ihre Ehe. Das ist wunderbar und einfühlsam beschrieben, genauso wie die Gefühlswelt der an Leib und Seele verwundeten Männer. Es gelingt der Autorin beeindruckend gut, diese vielen verschiedenen Facetten zu beleuchten. Sie zeigt glasklar, was der Krieg mit den Menschen macht. Dies wird im Nachfolgeband noch viel viel deutlicher. Zwei sehr empfehlenswerte Bücher – am besten mit diesem beginnen und dann „Alles worauf wir hofften“ lesen.