„Drehtür“, von Katja Lange-Müller

Eine Frau Mitte Sechzig blickt auf ihr Leben zurück. Man hat sie aus ihrem Berufsleben als Krankenschwester im Dienst internationaler images-1Hilfsorganisationen gedrängt, geradezu gemobbt; nun findet sie sich in der Drehtür des Münchner Flughafens wieder und fragt sich, wie es weitergehen soll mit ihrem Leben. Im lebhaften Treiben der Halle fallen ihr immer wieder einzelne Personen in den Blick, die sie an Menschen aus den vergangenen Jahren erinnern. Und so erzählt sie die Geschichten, die
sie mit ihnen erlebt hat, Skurilles wie Trauriges, Verrücktes wie Witziges.

Katja Lange-Müller ist eine hoch dekorierte, mit zahlreichen Stipendien geförderte Schriftstellerin. „Drehtür“ wurde sehr gelobt. Das macht ja immer neugierig. Und ihr Umgang mit Sprache ist in der Tat bemerkenswert, sie seziert einzelne Worte, wirft einen neuen Blick darauf, und so manches Mal dachte ich, sie hat recht, es ist wirklich ein seltsames Wort für das, was wir darunter verstehen. Ihre Erzählweise ist bissig, oft mit herrlich trockenem Humor. Die meisten Episoden sind interessant und lesenswert, aber das ganze wirkt eher wie eine Ansammlung von Kurzgeschichten, mir fehlt etwas der Zusammenhang. Doch mit Hilfe einer Rezension erkenne ich die beabsichtigte Klammer: „Mit jeder Episode variiert sie das höchst aktuelle und existenzielle Thema: das Helfen und seine Risiken.“

Das Ende befremdet mich etwas. Es schließt nichts, öffnet aber auch nichts. Allerdings hat die Autorin erreicht, dass ich darüber grüble und im x-ten Ansatz auch einen Sinn darin finde. Fazit: Sprachlich teilweise bemerkenswert, aber die Geschichte als ganzes berührt mich nicht wirklich.

„Über uns der Himmel, unter uns das Meer“, von Jojo Moyes

Schöner Schmöker gefällig? Dass Moyes gut schreiben kann, hat sie mit 514n9c1oz-l-_sx319_bo1204203200_ihrem Bestseller „Ein ganzes halbes Jahr“ bewiesen. Im aktuellen Buch geht es um einen brisanten Bräute-Transport von Australien nach England im Jahr 1946. Über sechshundert Frauen machen sich auf die ungewisse Reise übers Meer, zu ihren Verlobten oder Ehemännern, die sie teilweise kaum gekannt haben, bevor der Krieg sie trennte. Nicht alle werden ihr Ziel erreichen …

Die Geschichte beginnt etwas verwirrend, und ich habe ein wenig ungeduldig darauf gewartet, dass das Schiff endlich ablegt und seine lange Reise über die Weltmeere antritt. Es ist kein Passagierdampfer, wie von den Frauen erwartet, sondern ein ausgemusterter Flugzeugträger, mit einem gesundheitlich angeschlagenen Kapitän, der befürchtet, ebenfalls ausgemustert zu werden. Die alte Lady, die HMS Victoria, mit ihren Hangars, Decks, Kajüten und Maschinenräumen wächst einem in Windeseile ans Herz. Man bewegt sich auf den verschiedenen Ebenen, riecht förmlich das Maschinenöl und sieht die zum Trocknen aufgehängte Unterwäsche der Damen im Wind flattern – natürlich an nicht dafür vorgesehenen Plätzen. Spannungen jeglicher Art bleiben nicht aus, zwischen den Bräuten, aber natürlich auch zwischen den weiblichen Passagieren und der männlichen Schiffsbesatzung. Und eine Passagierin, die verschlossene Krankenschwester Frances, umgibt ein Geheimnis.

Das ist locker und flüssig geschrieben, mit mäßiger Spannung, aber mich hat fasziniert, wie sehr ich in das Leben auf dem Schiff eingetaucht bin. Ich kann mir wunderbar eine Verfilmung vorstellen, auch wenn die Geschichte nichts mit der „Titanic“ oder dem „Boot“ zu tun hat, musste ich öfters an diese beiden Filme denken. Also: wunderbare Unterhaltung!